Das IV. capitel.

Die frösch suchen bei den alten rat und welen einen neuen könig.


"Einstmals, als es ser finster war

Und man besorget kein gefar,

Saß der laubfrosch Wrex auf ein blatt

An einem ror, war hoch und glatt;

Rief laut, das am see weit erschallt.

Die frösch krochen herfür gar bald,

Meinten, es würd nun sicher sein,

Weil der laubfrosch quetschet so fein.

Und als sie all zusamen kamen

Und ihren könig nicht vernamen,

Fiengen sie an ihr leid zu klagen

Und um ein guten rat zu fragen,

Wie mans doch immer machen solt

Mit ihrem könig herr Barthold

Leisetritt, den großen tyrannen,

Der Koax fraß samt seinen mannen.

O kluger Marx, o Morz, Coard,

Quadroquor, Amor, Marquard, Morard,

Was gabt ihr uns einen guten rat;

Koax uns gar betrogen hat![86]

O komt durch got und rat mit ein,

Was in der not das best wil sein! –

Die alten hieltn an ihrem ort

Und hörten die betrübte wort;

Und ob sie gleich sich vorgenommen,

Zun jungen nimmermer zu kommen,

Die ihr zuvor gespottet hatten,

Das königreich nerrisch verraten:

Dennoch, weil es warn ihre leut,

Kinder und kindskinder die zeit,

Vetter, oheim, schweger, paten,

Die ihnen auch viel freundschaft taten,

Meinten sie doch in solcher not,

Da es ihn allen gölt den tod,

Man solt das gemein best bedenken

Und seinen zorn demselben schenken.

Es blieb doch bei dem alten reim:

Bei weisheit muß ein torheit sein;

Denn ein um die ander regiert,

Das hett man hiebei auch gespürt.

Zogen derwegen allesamt

Traurig hin zu der andern stand. –

Jeder ihn aus dem wege gieng,

Bis sie beschlossen einen ring,

Allerseits die alten umgaben.

Rülinger sprach: Ihr solt dank haben,

Ihr edle, alte, weise herren,

Die wir billig für veter eren,

Das ihr uns habt ser wol geraten;

Das wir aber darnach nicht taten,

Das macht ein junger stolzer man,

Und das wir alle torheit han.

Kein weiser man ward je genant.

Bei dem man nicht ein torheit fand.

Wir bitten got und euer er,

Ihr wolt mit uns nicht zürnen mer,[87]

Sondern uns veterlich vorschreiben,

Was wir machen und wo wir bleiben

Für des tyrannen große macht,

Die uns in not und tod gebracht.

Wir wollen folgen euerm rat,

Odr got erzeig uns keine gnad!

Wir wollen auch zu aller zeit

Eurn namen preisen weit und breit,

Koax abr und Kekechs verfluchen

Mit allen, die eigen nutz suchen,

Das alle nachkommen behalten:

Der beste rat sei bei den alten!

Als er dies sagt, ward ein geschnatter:

Marx, Marx ist unser lieber vatter!

Wie die frösch noch allzeit sagen,

Wenn sie einander um rat fragen."
[88]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 86-89.
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