Das IV. capitel.

[242] Wie die frösch und meuse zusamen treffen.


Als sich der lerm also anfieng,

Das kriegsvolk frisch zusamen gieng,

Gleich wenn das eis mit einem knall

Im großen sturm birst überall

Und mit eim geprassel durchbricht,

Da man sichs am wenigsten versicht.

So war Mortanz und seine man

Mit stein und pfeilen tapfer dran,

Warfen von sich, schleuderten, schossen,

Es fiel so dick als hagelschlossen

Und kam mancher maus auf den rücken,

Das sie die nas ins gras must bücken.

Das spanisch weiß fenlein macht auch

Den fröschen einen bösen rauch

Mit seinem starken katzenbogen,

Davon geschwinde bolzen flogen.

Aber das schwarz fenlein blieb aus,

Das kostet manche stolze maus.

Denn es hielt zwischen pferd und berg,

Stieg gegn der linken auf die zwerg

Und kont nicht brauchen sein geschoß,

Welchs Milchramlecker ser verdroß,

Rief: "Halt die schild all überwert,

Das euch nicht das geschoß gefert!

Eilt mutig auf den feind hinein,

Sonst wir alsamt verraten sein!"

Damit lief er zum feind hinan.

Fenrich Stölzer, der küne man,

Setzt mit den doppelsoldern nach

Und hoffet gar gewonnen sach,[242]

Insonderheit weil sie die schützen

Da funden auf der erden sitzen

Und ihr armbrust von neuem spannen,

Die konten sie bald übermannen,

Stachen in sie wie in die hund,

Ehe sich einer aufrichten kunt. –

Wie das Mortanz erst ward gewar,

Sprach er: "Nun hat es kein gefar,

Wir finden das wir han gesucht.

Wendt euch und nemt zur see die flucht!"

Damit teilten sich die hofleut

Padran und Mordax zu der seit,

Die schützen flohen nach dem see,

Das brachte den meusen groß we.

Denn Milchramlecker kriegt ein mut,

Dieweil der anfang war so gut,

Und drang zun fröschen heftig ein

Wie auf die hund ein zornig schwein.

Forklug folgt auch in großer eil

Und acht es für besonder heil,

Das die frösch so bald die flucht geben,

Das die hofleut zogen daneben,

Als wenn sie zun seiten ausliefen

Und zu keiner gegenwer griffen.

Als abr die frösch kamn an den see,

Gefiel ihnen die flucht nicht mehe,

Sondern wichen zur linken hand

Hinter den berg ins sicher land

Und ließen der meus hellen haufen

Vom ufer bis ans wasser laufen.

Da empfieng sie der hinterhalt,

Das ihn das herz im leib erkalt,

Riefen: "Ihr kühemelker, willkommen,

Eur ankunft habn wir gern vernommen.

Nun tret mit freuden in das bad,

Darnach euch lang geschwitzet hat.

Eurs königs son wundert sich ser,

Das ihr nicht kamt zu seiner er,[243]

Halft ihn besingen und begraben,

Darauf wir lengst gewartet haben!"

Und stachen damit auf sie los,

Gaben ihn auch viel krückenstoß,

Und hackten mit ihren handbarten

Ihnen erschrecklich durch die schwarten.

Und ob sie gleich sich gar verwegen

Werten mit hellbarten und degen,

Gieng es ihnen doch wie dem hirsch,

Der mit den hunden kempfet frisch,

Stürzt doch unversehens ins netz,

Das ihm der jeger heimlich setzt.

Denn zu beiden seiten der feind

Es mit ihnen getreulich meint,

Von hinten zu sie hoch beschwert

Ihr selbsteigen hofleut und pferd.

Für augen hatten sie den see.

Das tat dem Milchramlecker we,

Versucht, ob er zur linken hand,

Dadurch die fröschschützen gerant,

Nicht nachfolgen kunt und durchbrechen,

Fieng an grimmig um sich zu stechen

Und stieß mit seines degens knopf

Dem Mortanz hinten auf den kopf,

Das er sich strecket in den sand.

Solchs sahe Mortanzen leutenant

Und stach ihm wider nach der kelen,

Vermeint, es solt der stich nicht felen;

Aber Milchramlecker brach ihn bald

Mit seinem schilde mit gewalt

Und hieb dem frosch hin durch die stirn,

Das er verschütt leben und hirn.

Da liefen die frösch mit den beilen,

Als die vögel nach der nachteulen,

Warfen und schlugen auf den man,

Bis er ein hieb im rückn bekam,[244]

Daraus ihm lung und leber quall,

Und gab sein leben auf im fall,

Lag im staub mit werlosen henden.

So must der große mut sich enden!

Viel ander meus blieben auch tot

Oder kamen in wassersnot,

Das sichs nicht anders ansehn ließ,

Die frösch hetten den sieg gewiß;

Darum etlich schon riefen da:

"Quack, quock, quuck, queck, quictoria!"

Den fenrich Stölzern mit dem drang

Der nachdruck in das wasser zwang,

Da ihn der doppelsoldner kein

Zum schutz viel kont behülflich sein.

Die frösch abr griffen tapfer an,

Tapten nach den fenlein und man,

Der sich doch werte wie ein held;

Und damit er würde gefellt,

Warfn sie ihms angesicht voll kot.

Wie er nun sahe die große not,

Wandt er sich in sein fenlein gut,

Zu sterben wie ein treues blut.

Große, tapfer, rümliche taten

Alzeit große gefar bei sich hatten.
[245]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 242-246.
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