Der ochs und esel stürmen mit ihrer geselschaft ein waldhaus.
"Es lag ein schenkhaus für dem holz,
Darein wonet ein krüger stolz,
War ein reuter, reuber gewesen,
Darnach zu eim schenken erlesen,
Das bei den junkherrn, wie ihr wißt,
Der reuter best besoldung ist.
Der meint, weil er kein nachbarn hette,
So erfür niemand was er tete,
Trieb so groß hurerei und mort,
Das es got endlich sah und hort
Und ließ den schelm mit hurn und buben
In seinem haus und hofestuben
Vom donner, blitz und feur verbrennen:
So lernt er gottes eifer kennen.[154]
Dieweil aber keiner hülf tet
Und überblieb allein die stet,
Im holz nach dem schrecken zusamen
Sechs elend hausgenossen kamen,
Der ochs, esel, hund, katz und han,
Die gans war auch nerlich entgan.
Dieselb ihr große not beklagten,
Wie sie entkommen waren, fragten,
Was sie aus den verlornen sachen
Nun hinfort wolten ferner machen,
Das sie nicht würget wolf und ber,
All wilde tier wern ihr gefer. –
Da sprach der hund, er het gehort
Von ihren gesten oft die wort:
Als man eins zelt und neunzig jar
Ehe denn Christus geboren war,
Und die mantier boshaftig worden,
Sei ihrer diener ganzer orden
Unsers geschlechts, pferd, ochsen, schwein,
Schaf, gens, hüner, wir hund gemein,
Mit haufen von ihnen geflogen,
Sein in den wald und feld gezogen.
Er wolt ihnen setzen kein ziel,
Wenns aber allen so gefiel,
Wolt er sie semtlich alsobald
Zu einem haus bringen im wald,
Das die zimmerleut bauten fast,
Hielten darein ihr küch und rast,
Als sie ehemals zu winterszeiten
Im holz die stadtgebeud bereiten,
Hernach wer sein herr da gewesen,
Wenn er die kaufleut überlesen,
Ihr geld und warn zur straf genommen,
Das sie nicht bloß vom jarmarkt kommen;[155]
Samt und seiden mit sein gesellen
Ausgeteilt nach der langen ellen.
Es het notdurft zu allen dingen,
Was die freibeuter ließen bringen,
Und ritten hernach wieder heim,
Ließens ein halb jar ledig sein.
Kein zeit, kein rat und ferner tat,
Sie woltens wagn, aufn gots berat.
Zogen darauf hin für das haus;
Weil aber niemand kam heraus
Und die tür fest verschlossen war,
Blieben sie in gleicher gefar,
Und half nicht das der hund umgieng,
Die nas für alle rißlein hieng
Und roch, wer da verborgen lage,
Und die katz nach den fenstern sahe,
Bis der ochs sprach: Was sol dies wesen?
Es nützt uns hie kein federlesen,
Wir müssen die tür offen haben,
Darum will ich dawider traben.
Der esel antwortet: Ja recht;
Das aber alle ding sein schlecht
Und uns niemand hernacher schelt,
Als wer der anlauf nicht gemeldt,
Will ich zuvor auch lerman blasen.
Der hund leckt auch sein mund und nasen
Und sprach: Ich spring frisch mit hinan,
Bell und beiß wie ein jegersman.
Die katz, gans, han warn schwach und klein,
Wolten doch nicht die letzten sein,
Sondern zugleich vorn auf der spitzen
Den feind mit tazn und schnebeln ritzen.
Bald warf der ochs sein schwanz empor,
Scharrt mit den klauen das fußspor,[156]
Schnaubt und schnarkt mit nasen und mund,
Blekt die zeen wie ein zornigr hund,
Versucht die hörner an eim baum,
Sprang mit eim brüllen auf den raum.
Der esel sperrt weit auf den rachen,
Leßt sein Hika schrecklich herkrachen,
Der hund ball, und die katz murmauet,
Der han kurlückt, die gans dadrauet,
Gigack, gigack, flog sie daher,
Als wenns der römisch adler wer,
Das wunderlich zusamenrasselt
Wie in weldern der donner prasselt.
Damit satzt der ochs an das tor,
Das es riegel und schloß verlor,
Und prallt zurück von dem zulaufen,
Als fiel das haus über ein haufen,
Wie denn die einwoner auch dachten,
Derhalb nicht lang bedenken machten,
Sondern plötzlich zur hinterpfort
Hinausstoben zum sichern ort.
Die geste blieben in dem nest,
Das war ihnen das liebst und best. –
Und als sich kein wirt darin fand,
Erwelt ein jeder seinen stand.
Der ochs sagt: Zum stal ich mich füg,
In der krippn ist futter zur gnüg.
Der esel sagt: Ich bleib bei dir,
Was dir gefellt, gefellt auch mir.
Die katz sagt: Ich sitz auf dem herd,
Ob mir ein meuslein wer beschert,
Das nach der speis geruch ankem
Und ich für meine speis annem.
Ich sitz on das gern in der werm,
Ob ich gleich auch bisweil umschwerm.
Der hund sagt: Ich bleib an der tür,
Zu schauen, wer wandert dafür;[157]
Wenn ich ein heslein so erwisch,
Ich bring es der katzen zu tisch.
Die gans sagt: Ich bleib hinter der tür,
So kriech ich, wenn ich will, herfür
Und such mein futter in dem gras;
Ich schlaf auch leiser denn ein has
Und halt mit großer sorgen wacht,
Es sei bei tag oder bei nacht.
Der han sagt: Für des fuchses list
Auf dem balken mein schlafstet ist,
Da mich doch niemand müssig findt,
Ich ruf die stund aus und die wind,
Ich meld auch alle fremden geste;
Jeder verwalt sein amt aufs beste! –
Indes erholten sich die tier,
Die sonst für schrecken storben schier,
Da sie aus ihrem haus entsprungen.
Die alten suchten ihre jungen,
Der man das weib, das weib den man,
Bis einer zu dem andern kam;
Da hielten sie rat in gemein,
Was doch das posaunen möcht sein,
Das feldgeschrei und grausam prangen,
Damit der haussturm wer angangen,
Ob gespenst oder mantier kommen,
Wider sie den krieg vorgenommen?
Es gieng zwar, wie man sagt vor jaren
Und sie nun auch musten erfaren:
Wenn ein schrecken komt unversehens,
So gilt es fliegens und nicht stehens,
Wenn ein schrecken befellt die helde,
So fleugt mut und man aus dem felde;
Wie mutig er zuvor auch war,
So ist er denn verzaget gar.
Dennoch wer es im ganzen lande
Ihnen nachzusagen ein schande,
Das sie wern großmechtige herren,
Leun, leoparden, wölf und beren,[158]
Wusten nicht, wer sie heimgesocht,
Aus ihrer wonung ausgepocht.
Und ward für ratsam angesehen,
Der wolf solt bei nacht schleichen gehen,
Ins haus horchen, gründlich erfaren,
Was ihre feind für leute waren,
Weil er gewandert wie ein hund
Und derhalben viel sprachen kunt.
Als der aber kam am morgen wider
Und sich für schrecken leget nider,
Kamen sie all zu ihm angehen
Und heufig um ihn herum stehen,
Fragten, wie er die sach geworben.
Er sprach: Ich war beinah gestorben,
So freundlich ward ich da empfangen.
Zur unzeit war ich ausgegangen!
Sie spielten abr also mit mir,
Das ich nun glaub, es sind mantier
Oder ja feldteufel mit unter.
Mir widerfur ein größer wunder;
Ich kam dahin um mitternacht,
Da jeder schlief und niemand wacht,
Allein der hund lag vor dem tor,
Reckte seine oren hoch empor
Und bellt, als wolt er töricht werden,
Fiel mich an mit rauhen geberden,
Das ihm mein har beklebt im munde
Und ich bekam am hals ein wunde.
Ich tat aber, wie ich sonst pflag,
Wenn ich beim hund gefangen lag,
Und stellt mich nicht zur gegenwer,
Gedacht: deinthalb kom ich nicht her!
Und sprang damit zur küch hinein,
Vermeint daselbst sicher zu sein.
Der küchnjung abr lag auf dem herd
Und blieb für mir gar unversert,
Wolt feur und licht anblasen rasch
Und blies mir ins gesicht die asch,[159]
Schlug mir die negel in die augen,
Wusch mir das heupt mit solcher laugen,
Das mir das sehen schier vergieng
Und ich irr zu kriechen anfieng,
Kam in den stall, eilet zur pfort,
Der stallbruder erwachet fort,
Hub an zu schnauben und zu blasen,
Als hett er eines leuen nasen,
Faßt mich mit der gabel gewiß,
Gab mir damit ein scharfen riß
Und warf mich hin ins jungenlager.
Da kam ich erst zum bösen schwager,
Der plumper, tölpscher, loser fischer,
Der grobianischer stiegelwischer
In dem blinden lerman unfug
Zu mir mit der kratzbürst einschlug,
Eben als wenns ein prietschholz wer.
Er traf gewiß und leiden schwer,
Das ich zum stalknecht fiel hernider;
Der faßt mich mit der gabel wider
Und warf mich über sich herunter:
Das ich leben blieb, hat mich wunder.
Ich lag da mer denn halber todt,
Bat um gnad, klaget meine not,
Aber sie ließen mir kein ru,
Traten mit füßen auf mich zu,
Bis ich zuletzt mich noch erholt
Und nach dem tor hinlaufen wolt.
Da war der ein wechter erwacht,
Rief vom söller mit aller macht:
Wacht, wacht, wacht auf, wacht auf, wacht auf!
Ich gdacht: lauf, o mein kerle, lauf.
Der posauner blies auch und sprach:
Eilt hinten nach, eilt all hernach!
Als ich aber die tür einnam
Und mit großer gefar entkam,[160]
Sitzt der reitschmid hinter der tür,
Greift mit der glühenden zangn herfür
In meinen schwanz, das es gleich zischt.
Da ich nun mein, ich sei entwischt,
Faßt mich noch der hund bei dem or,
Das ich lieber denns heupt verlor.
Hett er den darm erhascht gewiß,
Den mir die strogabel ausriß,
Ich hett da müssen auf der straßen
Beim eingeweid mein leben lassen.
Ich zweifl auch nicht, wenn wir nicht laufen,
Es wird folgen der helle haufen
Und uns semtlich alhie ermorden,
Wie ich verstund an ihren worten. –
Die red bracht allen solch ein schrecken,
Das jeder lief, sich zu verstecken,
Und die hausleut one ansprach
Beinander hatten gut gemach. –
So gehts, wenn man zum feind einbricht,
Ehe denn er sich des feinds versicht,
Und erst ein schrecken ihm zujagt,
Das er unmuts wird und verzagt.
Ein blöd herz und bestürzter mut
In allen sachen felgriff tut,
Weil die furcht stets draut mer gefar,
Denn sonst im handel selber war.
Wie uns auch bei der finster nacht
Ein rauschend blatt ein grauen macht,
Das wir meinen, es sei ein natter,
Sprechen: Behüt, himlischer vatter!
Vielmer solt von eins esels raren
Einem ein schrecken überfaren. –
Darum last uns nur einig sein
Und on verzug rücken hinein
Nach dem, wie Alexander sagt,
Als ihn ein fremder könig fragt,[161]
Wie er in solcher kurzen zeit
Die welt bezwungen weit und breit:
Das ich nichts wolt bis morgen sparen,
Sondrn risch und frisch bin fortgefaren.
Last uns nun auch zu diesen sachen
Uns schleunig rüsten und aufmachen,
Den feind unversehns übereilen,
So wird uns der sieg gar nicht feilen.
Wo wir aber in diesen sachen
Noch lang wollen ein anstand machen,
Noch hülf aus fremden landn erwarten,
So wird sich bald wechseln die karten.
Es geht mit auf viel geld und gut,
Uns entfellet beid herz und mut,
Unser anschleg werden verraten,
Die kundschaft verdienet den braten,
Das auch um beistand wirbt der feind
Und sterker wird denn jemand meint,
Mit kröten voll gift und voll schilde,
Viel erschrecklicher wasserbilde,
Mit den krebsherren mit den scheren,
Wie wollen wir uns der erweren?
Man schmied, weil das eisen warm ist!
Das ist mein rat zu dieser frist."
[162]
Ausgewählte Ausgaben von
Froschmeuseler
|
Buchempfehlung
Nach zwanzig Jahren Krieg mit Sparta treten die Athenerinnen unter Frührung Lysistrates in den sexuellen Generalstreik, um ihre kriegswütigen Männer endlich zur Räson bringen. Als Lampito die Damen von Sparta zu ebensolcher Verweigerung bringen kann, geht der Plan schließlich auf.
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro