[144] Pranger, das pferd, streitet mit Hornunge, dem hirsch.
"Wie Prangern, dem mutigen pferd,
Dergleichen poß auch widerfert.
Das pferd kam aus dem paradeis,
Hielt sich nach seiner freiheit weis,
Weidet sich one neid und haß
In schöner au, im schönen gras
Und lief wider den wind zur lust,
Der men und schwanz aufwehen must,
Das sie wie feuerflammen aufgiengen,
Gleich als flügel zierten das springen,
Bis das es kam zur wiesen end,
Welchs sich selbst hatt zum ziel erneut.
Da stund es, winket mit dem or,
Zuckt die schenkel, trat das fußspor,
Biß die zene, wetzet den mund
Und lacht frölich aus herzengrund,
Das niemand seiner schönheit gleicht
Und das ziel so bald wer erreicht. –
Das sahe und hört der hirsch Hornung,
Biß aus großem zorn seine zung,
Spitzet die orn, klopft mit dem schwanz,
Schnaubt mit der nasn, schickt sich zu tanz,
Als obs ihm wer zu spot geschehn,
Wolt dem hochmut nicht mer zusehn
Und sprang in eim hui auf das roß
Mit einem geferlichem stoß,
Das sich Pranger dafür, entsetzt,
Als het der teufel ihn gefetzt,
Und lief, wie der ostwind herwegt,
Wie ein kugel zur büchs ausfegt,[144]
Immer zu seiner wiesen auf;
Der hirsch folget mit gleichem lauf,
War doch noch leichter auf den beinen,
Denn vor der Pranger wolt vermeinen,
Sprang ihm für, bot sein heupt und horn,
Wolt schlecht fettigen seinen zorn.
Pranger fürchtet der hörner spitzen,
Wolt die feibel nicht lassen ritzen,
Flucht dem hirsch den großen Christoffel,
Schlug hinten aus mit seim pantoffel,
Traf doch wenig, denn der Hornung
War zu fertig hinweg im sprung
Und stutzt hernach mit aller macht
Auf das pferd, das sein hirnschal kracht;
Bis das pferd must die weid verlassen,
Nemen zu dem mantier sein straßen,
Klagt ihm die sach, bat hülf und rat,
Erbot sich mit dank zur woltat.
Denn wenn das mantier on beschweren
Zu rettung seines guts und eren
Auf ihn sitzen wolt mit eim spieß,
So wolt ers tragen gar gewiß,
Das es den hirsch erstechen könt,
Das wilpret es ihm gerne gönt.
Das mantier sagt: es wer zu wagen,
Aber es wer nicht gnug am tragen,
Es ghort dazu zaum und gebiß;
Das es den lauf regiert gewiß,
Denn in kriegen sei alls verloren,
Wenn zusamgeraten zween toren,
Da einer hie wil rücken fort,
Der ander an ein andern ort.
Es muß einer sein, der regiert
Und wie er will den andern fürt,
Dem auch die andern folgen gern,
Sonst muß mans glücks und siegs entbern.[145]
Der vorschlag Prangern ser verdocht,
Damit er sich abr rechnen mocht,
So gdacht er, ich will alles wagen;
Wird nur mein feind, der hirsch, erschlagen,
Kan mich der erbeit nicht gereuen,
Ein kriegsman muß gefar nicht scheuen.
Das mantier legt ihm an den zaum,
Das von dem maul abfiel der schaum,
Und macht an seinem schuch ein dorn,
Weil noch nicht erfunden die sporn,
Nam auch sein bogen, schwert und spieß.
Das pferd willig aufsitzen ließ
Und lief damit dem hirschen zu;
Der stund beim wasser in der ru,
Besahe seiner hörner gstalt
Wie in eim spiegel abgemalt
Und sprach bei sich selber also:
Nun bin ich doch von herzen fro,
Das got mir aus besonder gnad
So statlich hörner geben hat,
Damit ich das pferd überwonnen,
Allein behalten wies und bronnen;
Und wenn ihrer gleich weren zehen,
Ich wolt nicht aus dem wege gehen,
Ich wolt mich für ihnen nicht scheuen,
Hetten sie zum beistand den leuen.
Schand ists nur, das ihr, meine beine,
So zart seid, so schmal, schwach und kleine,
Das ich mich euer schemen muß,
Wenn ich anseh die pferdefüß,
Trag euch mir zum spot auf der straßen,
Ich wolt euch schier abhauen lassen!
So sagt er, besorgt kein gefar.
Sobald er aber ward gewar,
Das sein feind um hülf hat geworben:
Besser geflogen, denn gestorben![146]
Sprach er und lief eilend und bald
Vom wasser hinab in den wald,
Wie ein has springet für den hund,
Der nach ihm schnappet mit dem mund.
Aber das mantier schoß mit eil
Ihm durch den rücken etlich pfeil,
Und das roß setzt tapfer hernach,
Zu rechnen sein erlitten schmach,
Bis das der hirsch lief durchs gestreuch,
Das er die pfeil aus der haut streich,
Und unversehens daselbst behieng
An seiner hörnerkronen zink.
Da flucht er erst den hörnern ser
Und lobt die füße noch viel mer,
Und bat den jeger um verschonen.
Das pferd sprach: Nein, ich muß belonen
Deinen stolz und großen mutwillen,
Den du an mir auch woltst erfüllen!
Damit das mantier seinen spieß
Dem hirsch im renn durchs herze stieß.
Da sagt das pferd: Got sei gedankt
Das ich meinen willen hab erlangt,
Und meinen feinden so vergolten,
Die mich ausm land verjagen wolten.
Nim ihn nun hin, du mein mantier,
Bind ihm zusamen alle vier,
Schlag ab sein horn, zeug aus sein kleid,
So tut er mir nichts mer zu leid;
Und zeug mir wieder ab den zaum,
So spazier ich nach meinem raum. –
Das mantier sagt: Das mag nicht sein,
Du must den hirsch mir tragen heim
Und auch holz füren zu dem braten,
Weil alles ist so wol geraten;
Solt auch helfen umziehn die mül,
Damit ich mel bekom die füll,
Zum gbratens kuchen back und brot;
Davon gönn ich dir auch die schrot,[147]
Insonderheit wo du mein gest
Auch auf dich anheim reiten leßt.
Das pferd hielt sich gar ungestüm,
Warf sich die quer und in die krüm,
Wolt den zaum im maul gar zerbeißen
Und mit gewalt sich hinwegreißen,
Oder den reuter abher setzen,
Nicht mer leiden das dornefetzen;
Aber das mantier nam sein schwert
Und schlug so grimmig auf das pferd,
Stieß es mit seinem stacheldorn,
Das es aus schreckn die sprach verlorn
Und aus seiner lieben freiheit
Kommen in ewige dienstbarkeit. –
Neidhardt, eignutz, kindischer rat
Verriet auch Rom, die mechtig stat.
Das heißt abr eifern und sich rechen,
Durchs feindes herz sich selbst erstechen;
Das heißt auf mechtig hülfgesellen
Sein vertrauen und wolfart stellen!
Das wir die gfar wolten ausstehen,
Kan ich gar nicht für gut ansehen."
[148]
Ausgewählte Ausgaben von
Froschmeuseler
|
Buchempfehlung
Karls gealterte Jugendfreundin Helene, die zwischenzeitlich steinreich verwitwet ist, schreibt ihm vom Tod des gemeinsamen Jugendfreundes Velten. Sie treffen sich und erinnern sich - auf auf Veltens Sterbebett sitzend - lange vergangener Tage.
150 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro