Das X. capitel.

Fürst Forklug ret, das man alles mit wolbedachtem rat angreife und sich nicht übereile.


Fürst Forklug war ein weiser man,

Bracht sein bedenken also an:

"Die fürsten reden wol und recht,

Wir wollens strafen, das ist schlecht,

Was die frösch uns haben getan.

Wir dürfen auch kein fremde man;[162]

Wenn wir unter uns einig sein,

So wird alles geraten fein.

Es sind auch besser wenig leut,

Die unerschrocken sein zum streit,

Denn das leufet Allman zu feld

Und einer den andern aufhelt.

Wie wir auch selbst hören und lesen,

Das Alexandr des sinns gewesen,

Als er wolt bezwingen die welt,

Hat er zu seim beistand erwelt

Nur sechs und dreißig tausend man,

Damit fieng er die sachen an. –

Es ist auch recht, das man erschreckt

Sein feind, der noch im winkel steckt

Und das man leicht den held verjagt,

Der über zuversicht verzagt.

Wer aber ander schrecken soll,

Muß sich selber verwaren wol,

Das er nicht schreck und werd erschlagen,

Wenn er vermeint ander zu jagen.

Der mülleresel wolt den sack

Nimmer tragen und ander pack,

Wust doch nicht, wie ers solt anfangen,

Wenn er dem müller wer entgangen,

Das er ihn nicht nem beir carthaus

Und trieb ihn mit schlegen zu haus.

Und fand am weg aus ungeschicht

Ein leuenhaut, wol zugericht,

So einem junkhern in dem agen

Entfallen war von seinem wagen,

Zog die fein zierlich um und an,

Gieng damit in dem walde stan,

Erschreckt und jagt, wer an ihn kam.

Das geschrei auch ser überhand nam,

Es wer im wald ein großer leu,

Der sich sehen ließ one scheu,[163]

Lief jederman nach gar vermessen,

Hett des müllers esel gefressen,

Würd on zweifel das ganze land

Morden, verwüsten nach der hand.

Dem esel im herzen wol tet,

Das er so groß ansehen hett,

Gedacht: Du must prechtig hertreten,

Man soll dich noch endlich anbeten,

Auch der müller und seine knecht,

So wilt du sie bezalen recht!

Damit er hin zur mülen gieng.

Dem müller zu grauen anfieng

Und wolt die mülentür zurücken.

Da sieht er die orn herfürblicken,

Ruft seinem gesind ungeheur:

Komt lieber, schaut dies ebenteuer,

Schaut, da komt her unser Cuman,

Hat ein leuenpelz angetan!

Damit er Cuman in der hast

Bei seinen langen oren faßt

Und zog ihm die leuenhaut abe,

Viel großer schleg ihm dazu gabe:

Und jeder spott des armen gecken,

Das er den esel nicht kont decken,

Ließ die oren oben ausragen,

Wolt doch ein leuenhaut antragen. –

Darum ists nicht gar sicher rat,

Das man lust zu dem schrecken hat.

Ratsamer ists, man eil mit weil,

Das man sich auch nicht übereil.

Wie der hund bald jungen wolt,

Weil er zur hochzeit gehen solt,

Und bracht sein jungen blind zur welt,

Weil neun tag zeit noch daran felt.

Und wer erst klug wird nach der tat,

Der braucht sein weisheit viel zu spat. –

Wir müssen dennoch auch zeit haben,

Zu mustern und rüsten die knaben,[164]

Die emter richtig zu bestellen,

Und was dazu gehört befelen,

Den ort der schlacht lassen besehen,

Ordnen wie man die soll angehen,

Wer zuerst soll und wer darnach

Mit dem feind angreifen die sach,

Wie man frisch volk hab im vorrat,

Wenns erst nicht wolt gehen von stat,

Wo man sich verlief in vorteil

Und die ordnung verneut in eil,

Wo man alzeit hab bei der hand

Beide rüstung und proviant. –

Es will auch gar wol sein bedacht,

Wie man es auf den notfall macht,

Wenn unser ein ins wasser kem,

Wie man sich desselben annem

Und ihn errettet aus der not,

Was er nicht leid schmelichen tod,

Wie des königes son geschen;

Im wasser keine balken stehn.

Darum sol man erst darauf dichtn,

Das man auch schiff könte anrichtn,

Als die mantier zu füren pflegen,

Wer sie könt steuren und bewegen,

Wie man denn unter uns wol findt,

Die in schiffen erzogen sind.

Insonderheit will sein das best,

Das man kundschafter laufen leßt,

Die alle man, macht, rat und tat

Und was Bausback im sinne hat

Zeitlich erkunden und erfragen

Und auf vertrauen uns ansagen,

Das wir nicht blinden lermen machn,

Geferdt werdn unverwarnter sachn.

Wer krieg on kundschaft füren wil,

Der wendt viel auf, gewint nicht viel.

Wenn nun dies alles, wie man soll,

Verordent wird richtig und wol,[165]

Sollen wir auch weiter und mer

Bedenken unser aller er,

Nicht heimlich zun fröschen hinwallen,

Wie nachtdieb und mörder einfallen,

Sondern das man zuvor drei tag

Ihn nach krieges gebrauch absag,

Die ursach und den ort vermeld,

Wo man ihr warten woll im feld;

Und wenn sie nicht alda ankommen,

Alsdenn werd weiter fürgenommen,

Was rat und die zeit geben wird

Und was sich zun sachen gebürt.

Was man tut, das tue man mit rat,

Das nicht Reuel kom nach der tat.

Das wird selten odr nimmer gut,

Was man on rat und maße tut.

Das ist mein rat; und bit nicht mer.

Ist irgend einr im ganzen heer,

Der etwas weiß zu bessern dran,

Der tret auf, laß sehn was er kan!"
[166]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 162-167.
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