Das XIV. capitel.

Quadrat widerret den krieg.


"Warum das nicht? sprach jederman:

Wir wollen bei dem könig stan

Und den meusen brantenwein schenken,

Kindeskind soll daran gedenken!"

On fürst Quadrat, der erenwert,

Macht sich dawider erst beschwert,

Widerriet allen krieg mit fleiß

Und redet auf folgende weis:

"Gnedigster könig, eur majestet

Halt mirs zu gut, daß ich auch red.

Ich kant ein frosch, war jung und schon,

Eur majestet vaternbruder son,

Herr Quackebruch, der hat ein straus

Mit Nußbeißer, der bösen maus,

Wolt sich gar nicht zufrieden geben,

Er wolt der maus nemen ihr leben,

Das sie von einem haselblat

Ihm auf sein heupt geschmeißet hat.[181]

Das spiel hat weihe Greifzu in acht,

Macht bald ein end aus ihrer schlacht,

Erhascht sie albeid bei dem kragen,

Wie sie da auf einander lagen,

Fürts in die luft, riß sie entzwei,

Schlang sie ein wie ein weiches ei.

Wie wenn es uns jetzt auch so gieng?

Es ist gar ein geferlich ding,

Das wir mit meusen wollen kriegen,

Die alzeit bei den mantiern liegen

Und lernen von ihn alle list,

Davon ihr noch gar wenig wist.

Sie haben auch scharfe zeen und klauen,

Können ser beißen und hart krauen;

Es wird sein ein geferlich ringen,

Sollen wir einen ins wasser bringen.

Es ist auch nicht zu aller zeit

Gut glück bei arglistigen streit,

Dardurch will man ein ganz geschlecht

Töten oder machen zu knecht.

Ein stat liegt in Westsachsen land

An der Weser, Hameln genant,

Daselbst kont man die großen ratzen

Weder durch gift oder durch katzen

Vertreiben. Darum ward bedacht,

Wie ein kunst würd zu weg gebracht,

Dardurch man sie alle könt teufen,

In dem Weserstrom gar erseufen;

Bis sich auch fand ein wunderman,

Mit bunten kleidern angetan;

Der pfiff die meus zusamen all,

Erseuft sie im strom auf einmal.

Da man aber nicht gar wolt zalen

Was ihm ward zugesagt vormalen,[182]

Wie hart er auch den rat besprach,

Der stat dreuet sein zorn und rach,

Das er heimlich für der gemein

Nur auf dem dorf kont sicher sein.

Und eben um dieselbe zeit

Johann und Paul feirten die leut,

Derhalben in der kirchen saßen.

War der man wider auf der gassen

Und fürt mit sich hinaus geschwind

Hundert und dreißig liebe kind,

Die seiner pfeif folgten die stund

Durch den Köpfenberg in den grund,

Der als wasser vonander floß

Und über sie alsamt zuschloß.

Die aber noch so spet ankamen

Und dies schrecklich wunder vernamen,

Wie ihr gespieln giengen zu grund

Das man ihr keins mer sehen kunt,

Blieben bestehn im hinterhalt.

Die eltern liefen und gruben bald,

Weinten, riefen, fluchten und betten,

Ihr kinder sie gern wieder hetten;

Funden abr nichts auch bis auf heut

On viel schrecklicher herzeleid

Denn Bethel übr vierzig zwei kind,

So von zween bern zurissen sind,

Als sie Elisa kalkopf nanten,

Weil ihr eltern die wider fanden.

Und lernten mit senlichen klagen

Ander leuten das sprichwort sagen:

Wer geld zu rechter zeit veracht,

Hat oft großen gewinn einbracht.

Dies geschach, als die zal im jar

Zwölf hundert vier und achtzig war.

Seht nun wol zu, fart nicht so geschwind,

Das auch nicht kost unsr weib und kind,[183]

Wenn wir die meus ins Wasser senken,

Nach der kunst meisterlich ertrenken. –

Zu dem ist noch ein zweifel dran,

Ob die maus gar nicht schwimmen kan.

Denn als Hatto, bischof zu Menz,

Das korn samlet in seiner grenz

Und arme leut kamen gelaufen,

Um ihr geld ihm korn abzukaufen,

Verspert er die in eine scheur

Und ließ sie verbrennen im feur.

Als aber die gefangne man

Ihr jammergeschrei fiengen an,

Lacht der bischof von herzen grund,

Sprach mit seinem gotlosen mund:

Wie schön können die kornmeus singen,

Komt, komt, ich wil euch mer korn bringen!

Von stund an sahe der abenteur,

Die meus liefen zu ihm vom feur

So heufig, das niemand kont weren,

Sie wolten ihn lebend verzeren.

Darum baut er mitten im Rhein

Ein hohen turm von roten stein,

Den euer viel haben gesehen,

Darauf den meusen zu entgehen.

Aber es war verlorne sach,

Sie schwummen ihm mit haufen nach,

Stiegen mutig den turm hinauf,

Fraßen ihn ungebraten auf. –

Pompill, dem andern dieses namens,

König in Poln, der seines stammes

Alle verwandten umgebracht,

Töten sie auch mit ihrer macht.

Denn der gab für, er were schwach,

Fordert sein blutsfreund ins gemach,[184]

Begert das sie das königreich

Seinen beiden sönen zugleich

Gönnen wolten ganz unverandert,

Wenn er durch den tod von ihn wandert.

Als sie ihm das versprochen hatten,

Auch ihre rechte hand drauf taten,

Bot er ihnen einen erentrunk;

Als den auch annam alt und jung,

Hieß er sie ein wenig abweichen,

Ob ein schleflein ihn wolt beschleichen.

Sobald sie abr gehen von ihm,

Fallen sie tot vom gift dahin,

Damit sein weib nach seinen willen

Den erentrunk hat lassen füllen.

Der könig sprach zu der geschicht:

Die toten meuse beißen nicht!

Aber wie er in seinem sal

Darauf anstellt ein freudenmal

Und trunkner weis im juchzn spricht:

Die toten meuse beißen nicht!

Kommen ein haufen meus gerant

Und beißen ihn an füß und hand,

Faren ihm nach dem angesicht,

Das er sich gar kan schützen nicht.

Er leßt ein feur um ihn her dammen,

Sie laufen durch kolen und flammen.

Er leßt sich füren in das mer,

Sie schwimmen nach mit großem heer.

Er steigt auf den turm Krotzwitzka,

Sein weib und kind findt er alda,

Die meus steigen mit haufen nach

Durch fenster, türen und gemach,

Fressen ihn, sein weib und zween sön,

Sein reich, sein freud wird spot und hon.

Darum wenn got uns strafen wolt,

An schwimmen es nicht mangeln solt.[185]

Wer vor ergangen ding betracht

Und gegenwertigs hat in acht,

Draus zukünftigs ermessen kan,

Den halt ich für ein weisen man. –

Wer es nicht auch ein guter rat,

Man schickt zun meusen ein legat,

Ließ unser unschuld vor erkleren,

Ehe denn man griff zu den weren,

Bet um ein frieden und vertrag,

Schickt auch geschenk, das viel vermag.

Dem bellenden hund verer man brot,

So hat man von seim zorn kein not.

Denn der krieg, wie er sich auch wend,

So nimt er mit schaden ein end.

Bessr ist fried mit beschwerlichkeit

Denn krieg mit ein gerechtigkeit."
[186]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 181-187.
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