Das XVI. capitel.

Mordachs will, das man eine feldschlacht halten soll.


Fürst Mordachs saß auch an dem ort

Und gab darauf dies zur antwort:

"Wenn ich die warheit sagen soll,

Redet fürst Watarachs ser wol,

Insonderheit das er für allem

Sich gottes furcht leßt wolgefallen.

Wo got nicht ist bei krieg und schlacht,

So ist verloren rat und macht.

Das soln unsr weib und kindr bestellen,

Denen wir diese sorg befelen.

Halts doch nicht ratsam solcher maßen,

Das man sich wolt belagern lassen,

Unser freiheit also einnemen

Und für der ganzen welt beschemen.

Außer dem zaun ist dingen gut;

Gefengniß raubet herz und mut,

Das auch der unverzagte man

Nicht weiß was er sol greifen an.

Und wenn er gleich noch ein herz fasset

Und sich der gegenwer anmaßet,

So hinderts das verzagt gesind,

Das man bei sich am meisten findt;

Nicht allein, das sie treg und faul,

Das brot wegfressen für dem maul,[193]

Sondern auch allen guten rat

Verstörn, verraten frühe und spat.

Wenn man denn versuchet bisweilen,

Wie man den feind will übereilen,

So komt man oft übel zum braten,

Weil unser anschleg sein verraten;

Und fellt derselb ins strick hinein,

Der ein andern zwackt bei dem bein.

Denn das sorglose sicherheit

Im feld oft verret gute leut,

Ist leider war und oft erfaren

Für alters und für wenig jaren.

Die stet abr sind davon nicht frei,

Viel weniger festung dabei.

Denn als Balsar zu Babylon

Sicher banktiert in seinem tron,

Gewannen die Perser die stadt,

Erschlugen ihn und seinen rat,

Wie im gemach des engels hand

Ihm vorgeschrieben an der wand.

Zu Troja war auch alles toll

Des weins, des schlafs, und beides voll,

Als die Griechen das tor aufmachten,

Ihr ganzes heer in die stat brachten.

Es sind auch zwar die deutschen leuen

Abgewurzt, das ihn mag gereuen,

Das sie nach hunger und nach durst

Zu viel gezecht auf die bratwurst

Und in steten oder im feld

Ihre wacht unfleißig bestellt.

Sie haben aber solche tück

Selbst gebraucht als ihr meisterstück.

Denn als Cyrus bekriegt das land

Der Scyten, sonst Schützen genant,[194]

Waren uralte deutsche leut,

Brauchten sechsische sprach die zeit,

Und die königin Tomyris,

Welchs soviel als die mutter hieß,

Ihren einigen son ausruft,

Das er dem feind begegnen must,

Den Cyrus mit seim volk erlegt;

Wird sie für leid zum zorn bewegt,

Bringt selbst all ihr landvolk ins feld,

Doch sich gleich als feldflüchtig stellt

Und leßt in ihres lagers stet

Was sie köstlich bereitet het

An brot, gebratens, starkem wein.

Dazu fallen die Perser ein,

Fressen und saufen one trauren,

Bis sie widrkert mit ihren bauren,

Alle Perser zu grund erlegt,

Des Cyrus heupt auch davon tregt,

Wirfts mit ihrer sieghaften hand

In eimer, der voll blut da stand,

Und spricht auch dazu also fort

Diese bitter giftige wort:

›Dich hat gedürst nach menschenblut,

Sauf sein nun satt, kül deinen mut!‹

Die Römer wolten auch Deutschland

All zwingen unter ihre hand,

Und hatt dazu besonder lust

Der mechtige kaiser August,

Schickt hin in der Westsachsen land

Einen, Quintil Varus genant,

Mit drei römischen legionen:

Solts kind in der wieg nicht verschonen.

Da fand sich ein mutiger man,

Ein junger Sachs, herzog Herman,

War im siebn und zwanzigsten jar,

Trug ein lang, gelb und krauses har,[195]

Einen schild und zweifeustig schwert,

Sprang gleiches fußes auf sein pferd,

Gar blos am heupt, am hals und brust:

Das war der alten Sachsen lust,

Wie wir noch ihre bilder sehen

Also freudig gemalet stehen.

Der bracht seine Sachsen zusamen,

Und als die Römer weit her kamen,

Ihr römisch speis und wein nicht funden,

Speck und grützwürst nicht essen kunten,

Viel weniger gereuchert brot

Und der verharten kese schrot,

Schlegt er auch auf seine gezelt

Nicht weit von Padelborn im feld

Und bestellet so alle sachen,

Als wenn er da wolt hochzeit machen,

Leßt brot, fleisch, fisch, wein gnug herbringen.

Die Römer, so auf kundschaft giengen,

Sagen die zeitung ihren leuten;

Da ward ein laufen und ein reiten,

Sie wolten all Sachsen erschlagen,

Ihr proviant frölich auftragen.

Als abr der herzog nam die flucht,

Für sein volk sicher örter sucht,

Hoffen die Römer gar gewonnen,

Setzen sich bei die töpf und tonnen,

Fressen und saufen bier und wein,

Werden trunken und schlafen ein,

Bis herzog Herman zurück lenkt,

Ihn den wilkom also einschenkt,

Das die Römer und ihr beistand

Für tot sich all streckten in sand

Und ihr oberster sich ersticht,

Weil er sich kan erretten nicht.[196]

Und auf die zeitung der August

Nichts weiters anzufangen wust

On das er an die bloße wand

Aus schreckn und zorn unsinnig rant

Und rief: ›O Vare, bist du bieder,

So gib mir drei legionen wider!‹ –

Unter andern raub abr roß und mannen

Und den römischen kriegesfanen

Werdn dem herzogen zwo fürgebracht,

Darin zween adeler gemacht,

Denn jeden römschen legionen,

Zwelf tausend fünfhundert personen,

Beide zu roß und auch zu fuß,

Und ein adeler aufwarten muß.

Darum nachmals das deutsche reich

Zween adeler füret zugleich

Odr einen, der zwei heupter hat

Für kaiserliche majestat. –

Also, sag ich, ists freilich war

Und der ganzen Welt offenbar:

Wer sicher ist, sein feind veracht,

Wird unversehns in not gebracht.

Und kan so bald über uns ausgehen

Als eben den feinden bestehen,

Das man auf solch ungwisse sachen

Gar nicht kan seine rechnung machen. –

Das abr Watarachs raten wolt,

Das man hofkundschaft kaufen solt,

Aus königs retn verreter machen,

Wer ein recht meisterstück zun sachen,

Wenn mans in die lenge wolt spielen

Und einer auf den andern zielen.

Das er auch die meusfeind wolt dingen,

Wider die meus zu felde bringen,

Ist gut, wenn got wer bei der sach,

Denn da fragt itzt ein jeder nach. –[197]

Wer mit kriegern wil er erjagen,

Muß sie wol zalen und wol plagen,

Dem übelteter tun sein recht,

Er sei reich, arm, ritter odr knecht,

Damit sie in gehorsam bleiben,

Den feind ernstlich helfen vertreiben;

Wer aber hat geldlose hend,

Der helt nimmer gut regiment,

Schaft auch wider den feind kein rat,

Weil er die feind selbst bei sich hat,

Die ihn nach leng der zeit auffressen,

Das müssen wir hie nicht vergessen.

Die katz wil haben speck alzeit,

Der wiesl ein frische milch bereit,

Iltisch und weihe der hünlein viel,

Odr fressen uns selbst on maß und ziel. –

Es sind auch kein bürgen dabei,

Das die lang zeit beschwerlich sei

Allein den meusn, und uns gar nicht;

Es wird manch list dabei erdicht,

Da man zuvor nicht auf gesonnen,

So sind ser viel festung gewonnen:

So ward Troja im grund verhert

Durch das hölzen und schwangre pferd;

So ist auch Babylon gewonnen

Als ihn das wasser ward genommen,

Und ander list dazu gebracht,

Als wir zuvor haben gedacht.

Wie, wenn die arglistigen buben

Den see ganz und gar untergruben,

Das alles wasser lief hinweg

Und wir gar bloß legen im dreck?

Oder trügen den see vol sand,

Wie die krae, da sie ein krug fand,

Der so tief war, das sie vom grund

Das wasser nicht erlangen kunt,

So viel der kleinen kieferlein

Zufüret in den krug hinein,[198]

Bis das wasser fein aufwerts gieng

Und sie ein trunk zu lon empfieng.

Wie der Türk all greben vol stürzt,

Sein schanz bis an die mauren schürzt,

Wenn er belagert eine fest,

Die sich nicht leicht abwerfen leßt.

Wie, wenn sie machten netz und strick.

Fischten uns heraus überrück,

Sonderlich wenns wider wird kalt,

So sind wir all erschlagen bald.

Als die merkische frösch erfarn

Wenn sie behengen im fischgarn.

Sie sind dazu auch viel zu geschwinde,

Das sie seßen im regen und winde,

Sie können sich künstlich vergraben,

Das sie werm und sicherheit haben.

Darum rat ich, man geb nicht nach,

Das der feind um uns schanzen mach

Und bei uns won mitten im land

Zu unser gefar und ewigr schand;

Sondern man rück zu ihm heraus,

Zu feld für des meuskönigs haus;

So findt jeder mutiger held

Sein besoldung teglich im feld,

So essen wir der feinde brot,

Und unser land komt nicht in not,

Unsr weib und kind sind one streit,

Belagrung komt noch viel zu bzeit. –

Damit wirs abr weislich anfangen

Und mit vorteil den sieg erlangen,

Auch nicht sein on allen beistand,

Kömt gleich keiner aus fremdem land,

Der uns dienet um silber und gold

Oder was man sonst geben wolt,

Können wir mit den fischen machen

Ein besondern bund in den sachen,[199]

Das sie all meus schleunig einschlingen,

Die wir zu ihn ins wasser zwingen.

Und ist uns nicht zu widerraten,

Gleich wie die Satanier taten,

Die got und teufel beten an,

Wolten sie beid zu freunden han,

Das got ihn gnedig wer alzeit,

Das der teufel ihn tet kein leid:

Das wir auch unser münch so eren,

Das sie neben uns dem feinde weren,

Mit zulegen ein summa geld,

So den ratzen werd zugestelt,

Speck, bratwurst und viel korn zu keufen,

Das sie die zal der meus nicht heufen,

Nicht zu unsern feinden sich gesellen,

Das sie unser freunde bleiben wöllen.

Also, wenn wir nun ziehen fort,

Sollen die münch stehen am ort,

Das der feind nicht zur seit einbrech,

Sondern das krötengift ihn schwech,

Das sie aus ihrer haut ausblasen,

Das sie ihn sprützen in die nasen.

Wir wollen in der mitte gehen,

Wie helden bei einander stehen

Mit werfen, stechen, hauen, schlagen,

Ob got will, den sieg davon tragen.

Nur das man bald zur sachen greif

Und wart nicht bis zum ersten reif!

Ich wil mit wagen gut und blut;

Der ist mein freund, der auch so tut!"
[200]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 193-201.
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