Eylfter Auftritt

[70] Lucifer. Avaritia. Mors peccatum wacht der teufflen: ad priorem.


NEYD fahret forth.

Nun endlich hat die mühe erkleket,

Und ihre schlaffsucht aufgeweket,

Nun ist der Rhat schon aufgebracht,

Und seinen feind zu stürzen tracht.

LUCIFER tritt mit allen anderen hervor.

Wie? oder mus ich mich betriegen?


Ad invidiam.


Sech ich an dir auch mein vergnügen?[70]

Hast was der geiz beym Judas thatt,

Auch du erzwungen von dem Rhat?

NEYD.

Ja fürst, und herr! es ist geschehen,

Die rott wird bald in waffen stehen.

Der von dem Rhat schon anbefohln,

Den feind bey zeiten einzuhohln.

GEIZ.

Auch Judas ganz von mir verblendet,

Hat sich schon nach den orth gewendet,

Wo er dan selbst das heer anführt,

Und seinen herrn verrathen wird.

SÜND.

Das werckh, so heuth so weith schon kommen,

Und meine künder unternommen,

Kommt dir o fürst, und uns zum trost,

Ob es schon ville mühe gekost.

TOTT.

Die arbeith mus das endt gewinnen,

Ohn das wird jedes werckh zerinnen,

Wer sindigt mit beständigkeit,

Der ist, der uns gewis erfreyt.

LUCIFER.

Das ists, warum ich ewen denke,

Und noch mein haubt zur ruhe nicht senke,

Das feyer zwahr schon hefftig brennt,

Doch ist die brunst noch nicht vollendt.

Man kan indessen wasser finden,

Und unsrer macht die händte binden,

Befor wür gänzlich abgesigt,

Und alles in dem aschen ligt.

Wie? wans den Judas annoch reuet?

Wie? wan der Rhat sich selbst entzweyet?

Wie man das volckh ins mitl tringt,

Eh uns der lezte streich gelingt?

Glaubt mir es laßt sich hier nicht scherzen,

Mir ligt die sach noch tief zu herzen,

Indessen habt ihr doch gethan,

Was ein getreuer würken kan.

Ich mus euch dises lob vergonnen,

Das ihr euch ville ehr gewonnen,

Das unser Cron auch eurer lüst

Gewislich villes schuldig ist.[71]

GEIZ.

Die thatt, so von uns ausgeübet,

Wan sie nur dir o fürst beliebet,

Ist dannoch schon in höchstem grad,

Obwohl sie noch ihr endt nicht hat.

Doch wollst du mich zum bürgen nemmen,

Das Judas sich nicht werd bequemen

Zu einer eingeschlichnen reu

So dir, und uns zum schröken sey.

Wer schon gewohnt nach geldt zu trachten,

Thuet den gewissens wurm nit achten,

Sey Christus auch sein gott, und herr,

Fangt er ihn doch, und hofft noch mehr.

NEID.

Auch ich o fürst will mich verpfänden,

Kein macht soll mehr den Rhat abwenden,

Von jenen schlus den er gemacht,

Das Christus werde eingebracht.

Dan den die Ehrsucht schon besessen,

Der lebt der rechten ganz vergessen,

Sicht keine müh noch arbeit an,

Bis er den gegner stürzen kan.

TODT.

Die sach steht würckhlich nach verlangen,

Dan was man glickhlich angefangen,

Wird sicher annoch dise nacht

Zu seinem zill, und endt gebracht.

Ich werd gewis den pfeil eintunken,

Im bluth, das er niemahl getrunken,

Im bluth, nach dem ihm fruhe, und spath,

Bishero stätts gedurstet hat.

SÜND.

Ich hoffe ewen bestermaßen,

Und kan den muth nicht sinken lassen,

Dan den ich einmahl angesteckt,

Der wird so leicht nicht ohnbeflekt.

Ihr kinder werdet sein beflissen,

Und diser noth zu steuren wissen,

Damit nichto wo ein reu ein schleicht,

Noch jemand von dem vorsaz weicht.

LUCIFER.

Die hoffnung ist nicht zu verwerffen,

Drum mus man stätts das eisen schärffen,[72]

Damit mans in der schneidt erhalt,

Eh selbes noch der rost anfallt.

Ist freylich also höchst vonnöthen,

Das ihr die hund noch halt in ketten,

Bis das ihr keinen mehr verlihrt,

Und alle in mein reich ein führt.

Auf dises müßt ihr sonders wachen,

Damit das volckh in disen sachen

Kein hinternusß, noch regung macht,

Das Christus schon an sich gebracht.

NEID.

Dem übl ist schon vorgesehen,

Dan dises werckh soll vor sich gehen,

Befor noch so vill fremde gäst

Ankommen zu dem oster-fest.

LUCIFER.

Wohl dan, so mus der streich gelingen,

Und ihr werdt gutte Pott schafft bringen

Wie auch ein so beglükte beuth,

Die noch die ganze höll erfreyt.

Wan Judas wird diß werckh vollenden,

Werd ich ihm die verzweiflung senden,

Die sein gewissen so beschwert,

Das er zum eignen mörder werd.

TODT.

Zu disem brauche ich kein eisen,

Werd ihm ein andre straßen weisen,

Das man ihn dir o fürst zuschik,

Ist mehr nicht nöthig, als ein strikh.

LUCIFER.

Geht also hin zum kampf, und sigen,

SÜND.

Laßt keinen fleis an euch erligen.

TODT.

Fleßt euch stätts in die herzen ein.

GEIZ. NEYD.

Wür werden ohnermiedet sein.


Zweyter Chor


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 70-73.
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