Fünfter auftritt

[92] Christus. Annas. Haubtmann. Kriegsvolckh. Rabbi.


RABBI.

Hochwürdigs haubt! nach dein verlangen,

Secht endlich Christus hier gefangen,

Weils deinem alter so gebührt,

Wird er dir erstens zu geführt.

Ich hab ein mehrers nicht zu sprechen,

Dan du weist selbsten sein verbrechen,

Erwarthe also deinen schlus,

Wie mann mit ihm verfahren mus.

ANNAS.

Das ihr den bößwicht habt gefunden

Bin ich euch mit dem Rhat verbunden.

Wo aber seind die jünger dan?

HAUBTMANN.

Sie seind entflohen bey einen mann.

Dan diser mensch gab unsern waffen

Gewis allein genug zu schaffen.

Er pflegte nur 2 worth zu sagn, (!)

Womit er uns zur erd geschlagen.

Nachdem er aber lag in bandten,

Hat sich ein Jünger unterstanden

Und Malcho ohn das ers entraut

Das ohr von kopf wurz abgehaut.

Alleinig diser hexen meister

Beschwur so gleich die höllen geister,

Und heyllte ihm zur zeit vertreib

Das ohr aufs neue an den leib.

Aus dem kan Annas schon ermessen,

Wie diser böswicht gott vergessen

Obwohlen er sich rühmt, und throht,

Er seye selbsten mensch, und gott.

ANNAS.

Auf eure vorgetragne klagen,

Will ihn selbst allhier befragen,

So dan wird mir schon fallen bey,

Was in der sach zu thuen sey.

AD CHRISTUM.

Sag, warum du mit schlechten leuthen

Dein lehr getrachtet auszubreitten,[93]

Warum hast du nicht leuth erkorn,

Die von ehrbahren stand gebohrn?

Nur unerfahrnen vorzuschwäzen,

Was kein gelehrter wurde schäzen,

Diß ware nemblich deine kunst,

Die nun besteht wie rauch, und dunst.

Zu deme, sag mir auch bey neben,

Wer hat dir den gewalt gegeben?

Solch neue lehrsäz einzuführn

Durch die wür so vill volckh verlihrn?

Das alt gesaz wird nun verachtet,

Weill jeder nach den deinen trachtet,

Ist selbes dan jezt nicht mehr werth,

Das man es wie zu vor verehrt?

CHRISTUS.

Ich hab so offentlich gelehret,

Das es die ganze weldt gehöret,

Im templ, in der Synagog

Wohin mein lehr das volckh bewog.

Wohin die Judn pflegn zu kommen,

Die allzeith meine worth vernommen,

Das liecht, das lieb ich allzusehr,

Und hatte keine winkl lehr.

Was willst du dan mich hier befragen?

Frag dise, und sie werden sagen,

Was meine lehrsäz anbelangt,

Und noch in der gedächtnuß hangt.

MALCHUS.

Dem hochen Priester auf mein leben,

Sollst du kein solche antworth geben,

Die straff so deinem hochmuth gleich,

Ist also diser bakenstreich.


Schlagt Jesum in das angesicht.


CHRISTUS.

Ist mir allhier ein worth entkommen,

Das jemand übl aufgenommen,

So mache solches offenbahr,

Und durch bewehrte zeugnuß wahr.

Thatt ich jedoch die wahrheit sagen,

Was thuest du mich unschuldig schlagen?

MALCHUS.

Die straff die du schon längst verschult,

Die kommt erst nach, trag nur gedult.[94]

ANNAS.

Ich will hier nicht vill worth verlihren,

Ihr könnt ihn gleich zum Caiphas führen

Kan sein bey höcheren gericht


Dises sagt er spöttisch.


Das er mit mehrer demuth spricht.


Hier hast du böswicht satt gezeiget,

Wohin, du uns das volckh geneiget,

Weill deiner lehren falsche lüst,

Nur einzig troz, und hochmuth ist.

Sie seind, wie du stolz, und vermessen,

Auch aller obrigkeit vergessen,

Darumb hast du mit leichter macht

Das Volckh von uns an dich gebracht.

Geht nun wohin ich euchs benennet

Verwachet ihn, so gut ihr könnet,

Damit an disen wundermann

Sich Caiphas auch ergözen kan.


Gehen ab mit einer ungestimmen muthwilligkeit wider Christum.


REBI, ODER GEIZ.

Ich hab bey disem stätts erwogen,

Das uns der ruef nicht hab betrogen,

Dan wer beym Volckh so mächtig steht,

Gewis auf hochen stelzen geht.

Der schimpf mit dem er dich beleget,

Wer ihn nur, wie er sollt, erweget,

Der sicht, das selber allzusehr

Verlezet deinen standt und ehr.

Nun dise nicht noch mehr zu kräncken,

So must du auf die rach gedenken,

Du wurdest sonst bey gros, und klein

Beständig in verachtung sein.

Zu dem, hat er sich wohl geneiget,

Da du ihm seinen stolz gezeiget?

War er nicht stum, verwegn, gerührt,

Da man ihn hat von dir geführt?

Was will diß alls vor zeugnusß gebn,

Alls das, wann er soll längers lebn.

Das volckh von ihme auf gehezt,

Dich ihrer pflicht nicht wirdig schätzt?[95]

ANNAS.

Das ist es eben, will nur sehen,

Was bey dem Caiphas werd geschehen,

Damit man mit gesamter hand

Die sach vor ostern richt im standt.

Es mus mit disen böswicht brechen,

Der Rhat wird nicht mehr anderst sprechen,

Indessen gönne mir ein ruh,

REBI.

Wohlan ich geh dem Caiphas zu.


Annas gehet ab: Rebi herfür.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 92-96.
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