Sechster auftritt

[155] Schreiber. Caiphas. Annas. Rabbi. Amos. Rebi. Zu denen Pilatus. Laban. Haubtmann. Die Juden.


SCHREIBER.

Beliebe nur herein zu kommen,

Pilatus hat was unternommen,

Das er nur kurz zu ende führt,

Wo er sich dan bald zeigen wird.


Gehet ab.


CAYPHAS.

Er wird halt noch in sorgen schwizen,

Den böswicht bey dem lebn zu schüzen.

Allein da hilfft kein schüzen mehr,

Wan er nochmahl Pilatus wär.

ANNAS.

Es ist ein mahl, und bleibt Beschlossen,

Den Creuztodt nicht mehr umzustoßen,

Der feste willn ist unsrer seiths

Das Christus sterbe an den Creuz.[155]

RABBI.

Und dises mus noch heuth geschehen,

Eh wolln wür von der stöll nicht gehn

Das geislen ist ja keine pein,

Die unsrer klag genug kan sein.

AMOS.

Eh soll die sonn den glanz verlihren,

Und keine stern den himmel zihren,

Als ich darzu den willen geb,

Das Christus heuth nur überleb.

REBI.

Pilatus laßt sich noch schon schreken,

Man kan ihm leicht ein forcht erweken,

Wan man ihm mit dem Kayser throht,

Beschließet er gewis den todt.


Der Schlus wird aufgethan, Christus stehet mitten unter denen römischen Soldaten, und Pilatus gehet hervor.


Ihr Juden secht, was eure klagen

Vor eine straff ihm aufgetragen,

Ich straffe wie ich immer kan

Secht also disen Menschen an.

Ein mehrers weis ich nicht zu rächen,

Dan ich find an ihm kein Verbrechen

Und thatte ihn nur Eüertwegen

Aus Zwang mit diser straff belegen.

SALOMON.

Es wird, und mus uns noch gelingen

Das wür die straff des todts erzwingen,

Heuth mus er noch gecreuzigt sein,

Und diser schlus ist allgemein.

CAYPHAS.

Du magst dich, wie du willst, bewerben,

So mus er uns am Creuz doch sterben,

Diß ist der Juden schluß, und sinn,

ALLE JUDEN.

Pilate! Creuzig! Creuzig ihn.

ANNAS.

Wür seind an ein gesaz verbunden,

Das ursach gnug an ihm gefunden,

Er gab sich aus vor gottes sohn,

Und also ist das Creuz sein lohn.[156]

RABBI.

Wan er auch sonst nichts hätt verbrochen,

So müst ja dises sein gerochen,

Du straffst ihn zwahr mit hohn und spoth,

Doch das gesaz will nur den todt.

AMOS.

So hat es Rhat, und Volckh erkennet,

Das ihm des Creuztodt (!) schuldig nennet:

Ans Creuz! Rufft die gemeine stimm.

ALLE JUDEN.

Ans Creuz! ans Creuz! ans Creuz mit ihm.

PILATUS.

Ich hab noch was allein zu fragen,

Belieb etwas gedult zu tragen.

CAYPHAS.

Red was du willst mit ihm allein

Doch glaub, er mus gecreuzigt sein.


Gehen ab.


PILATUS zu Christum.

Du sichst, was diser schwäre morgen

Mich wegen deiner kost vor sorgen.

Wan dir dein leben angnemm ist,

Sag mir sodan, woher du bist?


Christus schweigt.


Wie? mir willst du kein antworth geben?

Indeme doch dein todt und leben

Und zwahr in einer kurzen frist,

In meiner Macht, und händen ist?

CHRISTUS.

Du wurdest mich hier niemahls sehen,

In deiner Macht gebunden stehen,

Wan selbe nicht von oben her

Dir über mich gegeben wär.

Darumen hat der jene eben,

So deiner Macht mich übergeben

Sein herz, darinn die bosheit steckt

Mit einer größren sind befleckt.

PILATUS.

Ein Mehrers willst du mir nicht sagen,

Und also spar ich meine klagen,


Ad spectatores.
[157]

Ein forcht benimmt mir muth, und sinn,

Ich weis nicht, ob ich Richter bin. – – –

Doch ich will suchen ihn zu retten, – – –

Belieb euch nur herein zu tretten, – – –


Der Rhat kommt wider heraus.


Die fragen hab ich zwahr vollendt,

Jedoch noch keine schuld erkennt.

Ich mus demnach das Urtheil fassen

Ihm nun auf freyen fus zu lassen.

Gebt euch doch endlich auch darein!

ALLE.

Nein, nein er mus gecreuzigt sein.

REBI.

Diß wirst du nimmermehr erleben,

Willst du kein anders Urtheil geben,

So wird der Kayser schon geruhn

Der Ehr des Rhats genug zu thun.

CAYPHAS.

Wan du den böswicht los willst lassen,

So must du auch den Kayser hassen.

Dan wer allhier uns widerspricht,

Der ist ein freind des Kaysers nicht.

ANNAS.

Wer immer sich zum König machet,

Der ist, der ihm zum schimpf verlachet,

Beleydigt ohne widerred

Sein allerhöchste Mayestätt.

PILATUS.

Hier wär noch vill mit euch zu sprechen,

Ich weis den Kayser schon zu rächen,

So jemand ihm mit wahrer thatt

Aufs sträfflichist Beleydigt hat.

Allein, wo ungegründte klagen

Nur von scheinbahren lastren sagen,

Da will der Kayser selbsten nicht,

Das man ein schnelles Urtheil spricht.


Zum schreiber.


Man ruff sodan in meinen Nahmen

Den ganzen hochen Rhat zusammen,

Damit ein offentliches loos

Gescheh in dem Lythostrotos.


Der schreiber gehet ab.

[158] Pilatus zu denen Juden.


Ihr könnt euch also hinbegeben,

Und umb den lezten schlus bestreben.


Gehen ab.

Pilatus zu der wacht.


Indessen führet ihn hinein,


Gehen ab.


Bis das ich werd zugegen sein.

Was ist zu thuen? Was ist zu machen,

Wo hasß, und grimm schon auf mich wachen?

Wo Rhat, und Volckh der Neyd verblendt,

Und nicht, was rechtens ist, erkennt?

Wan sie Beym Kayser sich beschwären,

Wird man die Unschuld wohl erhören?

Komm ich nicht selbsten in die noth?

Vill hund seind ja des haasen todt.

Doch handle ich ja wider pflichten,

Wan ich den jenen werde richten,

Der zwahr bey dem betrognen Rhat,

Bey mir doch kein Verbrechen hat.


Will gehen.


Nein: sehe, das er nicht verderbe.

DAS VOLCK.

Pilatus oder Christus sterbe!


Innenher.


DER HAUBTMAN kommt heraus.

Das Volckh, o herr! ist ganz entrüst:

Das Christus noch Bey leben ist.

PILATUS.

Wie? will man sich so weith erfrechen?

HAUBTMAN.

Man trohet, sich an dir zu rächen.

PILATUS.

Was Rechtens ist wirdt gleich geschen,

Der Rhat wird schon Bey sammen stehen.


Gehet ab.


HAUBTMANN.

Was Rhat und Volckh zusamm beginnen,

Da wird Pilatus nichts gewinnen.

Er bringt ihn nicht auf freyen fus,

Gewis ist, das er sterben mus.

Die Juden feind zu sehr verlegen,

Nichts kans an Christo mehr bewegen,[159]

Und wär er nochmahls mensch, und gott,


Das Volckh innenher.


Heuth wollen wür noch seinen todt.

LABAN gehet heraus.

Man mus die wacht noch mehr verstärken,

Sonst greifft das Volckh nach tollem werken,

Es kost gewislich villes bluth,

Wan man nicht zeittlich einhalt thuet.

HAUBTMANN.

Da will ich gleich die anstalt machen,

Und vor die ehr des Kaysers wachen,

Du geh zum pövel, und bericht,

Das schon der Rhat das Urtheil spricht.


Gehen ab.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 155-160.
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