[Eitlen Lüsten fröhnt die Erde]

Eitlen Lüsten fröhnt die Erde,

Und mir fröhnet eitle Lust,

Und des Glückes gold'ne Harfe

Schmiegt sich sanft an meine Brust.

Meines Strebens rascher Huma

Stürzet auf des Anca Nest;

Meine Netze halten tausend

Psittiche und Sprosser fest.

In dem Kreise der Verliebten,

In des Weisen Richtersaal,

Nennt man, im Gebet der Treue,

Meinen Namen ohne Wahl.

Alle lichten Himmels-Auen,

Sammt dem Sitz der Redlichkeit,

Komm, o komm, sie sind ja fürder

Mir zur Ruhestatt geweiht!

Schon am Wohlgeruch erkenn' ich,

Ob des Kaufmann's Waare log,

Weil ich des Propheten Düfte

Wonnetrunken in mich sog.

Bei des Geistes König schwör' ich's,

Der der Liebe Schatz entdeckt,

Dessen Loblied meine Zunge

Früh und Abends neu erweckt:

Wer sein Haupt nicht willig neiget

Meines Vaters Machtgebot,

Wird dem Rechtsschwert unterliegen,

Das in meiner Scheide droht;

Und ich schwör' bei Gottes Hilfe,

Dass, im Raum und in der Zeit,

Alles was auf Erden lebet

Mir sich fügt und mir sich weiht.

Der Verständ'ge singt aus treuer,

Singt aus liebevoller Brust:

Eitlen Lüsten fröhnt die Erde,

Und mir fröhnet eitle Lust.[37]

Wärst Wahrheit du von Ränken

Zu sondern je im Stande,

Du würdest dich verbergen

Vor deiner eig'nen Schande.

Wär' deiner Seele Schwärze

Mit Augen zu beschauen,

Man säh' dein Mohrendunkel

Die ganze Welt umgrauen.

Du gleichest jener Schlange

Die fern vom Steine lieget;

Mit deinem eig'nen Steine

Nur wird dein Haupt besieget.

Wenn du in's Meer auch fielest,

O Falscher, sei nicht bange!

Aus Ekel, traun! verschonten

Dich Krokodill und Schlange.

Du sagst mir ohne Ende

Ich soll den Sinn erfassen,

Die bunten Bilder meiden,

Die Tiegerfarbe lassen.

Was soll ich dir erwidern?

O Trugbild voll der Fehle!

Und welcher Ausdruck dringt wohl

In deine enge Seele?

Die Lust von Tebris' Sonne

Ist's, wenn sie Heil'ges schauet:

Du aber gleichst dem Schweine,

Vor dem selbst Franken grauet.

Quelle:
Rumi, Ǧalal o’d-din: Auswahl aus den Diwanen. Wien 1838, S. 35-39.
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