3.

[87] Nach dir allein, du Zauberstadt im Meere,

Nach dir, Venezia, faßt mich noch ein Sehnen;

O könnt' ich still an deinen Brücken lehnen,

Du menschenvolle – und doch menschenleere!


Was deine Hoheit auch an Glanz entbehre

Vergang'ner Zeiten, nichtig muß ich's wähnen;

Wie lieb' ich dich mit deinen dunklen Kähnen,

Die heut' noch des Genusses schönste Fähre!


Du bist der Ort für müde Lebensschwingen,

Die gern in deinen märchenhaften Räumen

Zu leisem Fluge noch empor sich ringen.


Du bist der Ort für letztes Becherschäumen:

So möcht' auch ich in dir ein Lied noch singen

Und einer letzten Liebe Traum noch träumen.

Quelle:
Ferdinand von Saar: Gedichte, Heidelberg, (2) 1888, S. 87-88.
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