Actus III.

[51] Die fürstin kumpt mit irn jungkfrawen, tregt ihr kind eingewickelt, setzt sich und spricht.


Ach Gott, dir sey lob, ehr und preyß,

Der du so wunderlicher weiß

Mich hast erhebt auß dem ellend

In das hoch fürstlich regiment,

In ein so glückseliges leben,

Mir auch ein schöne tochter geben,

Doch über als den herren mein!

Dem wil ich untherthenig sein

Und in will lieb haben und werd,

Dieweil ich leb auff dieser erd.

DER MARGGRAFF kumpt, spricht traurig.

Ir jungkfrawen, trett ein wenig ab!

Ein wort ich hie zu reden hab.


Sie geen ab; der marggraff spricht.


Griselda, lieber gmahel mein,

Du weist wol das herkummen dein

Von schlechtem stam, unedler art.

Das vertreust meinen adel hart,

Vor-auß weil du uns hast geborn

Ein tochter, welche auch mit zorn

Der adel gar nit leyden will.

Das klag ich dir hie in der stil.

Wo ich anderst will fride hon,

Muß ich das kind hin lassen thon,

Wie wols uns thut im hertzen weh.

Hab dir das wöllen sagen eh,

Das gschech mit deim willen und wissen,

Weil du dich bißher hast geflissen,[51]

Unsern willn zu thun on abgang,

Wie du denn verhiest im anfang.

GRISELDA hebt ir hend auff unnd spricht.

Gnediger herr und gmahel mein,

Ich und das junge töchterlein

Sind ewer eygen und erwelt.

Mit uns mügt ir thun, was euch gfelt,

Mein nicht verschonen umb ein har,

Wann ich hab mich ergeben gar,

Das ich mir gentzlich laß in allen

Ewer gnaden willen allzeit gfallen.

Ich beger nichts zu bhalten sehr,

Furcht auch nichts zu verlieren mehr,

Wann euch allein; das brecht mir schmertz,

Weil ir seyt bschlossen in mein hertz

In rechter warer lieb und trew.

Hab sunst nichts mehr, das mich erfrew

Auff erd; dieweil ich hab mein leben,

Soll euch mein will nit widerstreben.


Der fürst beut ir die hand, geet ab. Die jungkfrawen kummen wider; die erst spricht.


Gnedige fraw, was ist geübt,

Das der fürst ist so gar betrübt

Und sehr traurig geht auß dem sal?

GRISELDA, DIE FÜRSTIN spricht.

Sich hat zu-tragen ein unfal.

Vil-leicht wird es von Got gewendt

Noch etwan zu eym guten end.

ANTONI, DER TRABANT kumpt mit blossem schwerd und spricht.

Gnedige fraw, wölt mir vergeben!

Wil ich verlieren nit mein leben

Mit einem grimmen herben tod,

So muß ich nach des fürstn gebot

Ewer junges kindlein richten hin.

Gott weyß, das ich sein trawrig bin.[52]

GRISELDA schaut ihr kind, kust es und zeichnets mit dem creutz und gibt ims, spricht.

So nimb hin das unschuldig blut,

Weil sein mein herr begeren thut,

Und verbring deines forsten gebot!

Iedoch so bitt ich dich durch Gott,

Du wölst die gnad an mir beweisen,

Das du nit wölst lassen zerreissen

Sein zarts leiblein in walts refier

Die vögel oder wilden thier.


Antoni tregt das kind hinnauß. Sie sicht im sehnlich nach.


DIE JUNGKFRAW spricht.

Ach gnedige fraw, thüt uns sagen!

Ach wo wil der das kind hin tragen?

Wil er es würgen in dem wald?

Sein augn warn ye grausam gestalt.

Ach Got, der fürst ist unbesint.

Was zeicht er das unschuldig kind?

GRISELDA spricht.

Was mein herr thut, ist wolgethan.

Da hab ich keinen zweyffel an.

DIE ANDER HOFF-JUNGKFRAW.

Ja wol, ich het ims kind nit geben,

Weyl er im nemen wil das leben.

Ich het es eh heymlich verstecket.

Kein mensch solt mirs habn abgeschrecket,

Het mich ehs fürsten huld verwegen.

GRISELDA spricht.

Nein, mir ist mehr am herren glegen,

Dann an mir selb, an allen zitter;

Es sey mir gleich süß oder bitter,

Alles, was er von mir begert,

Wirt frölich er von mir gewert.

Wolauff! nun wöllen wir hinein

Zum allerliebsten herren mein.


[53] Sie geen auß, der fürst geet ein unnd spricht.


Wir wölln hie wartten auff den knecht.

Ob er uns her das kindlein brecht,

Wöll wir weitter bescheyd im geben.

Schaw! dort kumpt der Antoni eben.

ANTONI kumpt, der fürst spricht.

Anthoni, bringst das kindlein du?

Sag! was sagt die fürstin darzu?

ANTONI, DER TRABANT spricht.

O gnediger herr, gar gutwillig

Gabs mir das kind, kein wort unbillich

Redts, all ir red was senfft und lind.

DER MARGGRAFF.

Raiß eylend hin! bewar das kind

Fleissig und wol, wie thut gebürn,

Inn eym korb auff eym esel fürn

In die hauptstat Bononia

Unnd bring es meiner schwester da,

Der grävin von Banocho und sprich,

Das sie das kind mit fleiß auff-zich,

Doch das sie niemand sag darbey,

Wer sein vater und muter sey,

Und schweig auch zu den sachen stil!

ANTONI, DER TRABANDT spricht.

Gnediger herr, das kind ich wil

Antwortn und es mit fleiß bewarn,

Das es sunst niemandt sol erfarn.


Er tregt das kind hin; die ander jungkfraw kumpt zum fürsten unnd spricht.


Ach gnediger herr ausserkorn,

Die fürstin hat ein sun geborn

In dieser stund; gelobt sey Got!

Gebt mir ein frölich botten-brot!


Sie geet ab.


DER FÜRST spricht.

Geh eylend, wünsch der fürstin glück![54]

Ich will versuchen das ander stück,

Ob unser gmahel nit sey abwendig,

Sunder in ghorsam noch bestendig.

Da kumpt eben ein rechter knecht.

Miser Lux, du kumbst eben recht.

Geh eylend zu der fürstin hin!

Sprich, es sey unser wil und sin,

Das sie das junge kind dir geb!

Ich wöll nit lenger, das es leb,

Wann die landschafft thu mich vexiren,

Das nach unsrem tod solt regieren

Das kind, einer bewerin sun.

Drumb wöllen wirs ablassen thun.

Zum warzeychen zeyg ir mein ring!

Geh! eylend mir das kindlein bring!


Er nembt den ring, geet ab; der fürst spricht.


Vil-leicht sie dem das kind auch geyt

Gedultig mit gutwilligkeit;

So ists das ghorsamst weib auff erd,

Sie soll uns erst sein lieb und werd.

DER TRABAND bringt das kind unnd spricht.

Gnediger herr, ich bring das kind.

DER MARGGRAFF spricht.

Sag, was sagt die fürstin, gar gschwind!

DER MISER LUX spricht.

Sie sagt: Nimb das unschuldig blut,

Weyl das mein herr begeren thut!

Thu mit im, was er dir gebot!

Und wenn er mir geböt den todt,

Wolt ich mich in sein willen geben

Lieber, denn an sein willen leben.

Sein will mich alzeyt frewen muß.

Darmit gab sie dem kind ein kuß,

Bat, ich solts in deß walds refier

Nit werffen für die wildten thier,

Zu fressen seine zarte glider.[55]

Darnach küst sie das kindlein wider

Und thet es mit dem creutz bezeychen,

Thet mirs gar gutwillig her-reychen

On alle seufftzen, weyn und klag.

DER FÜRST segnet sich und spricht.

Geh eylend! thu, als ich dir sag!

Rüst zu ein esel zu dem wandern

Und bring das kindlein zu dem andern

Gen Bononi der schwester mein!

Bitt, das irs laß bevolhen sein,

Thüs als ir eygen kind bewarn,

Doch still, das niemand thu erfarn!


Der traband tregt das kind hin; der fürst redt mit im selb.


Mein weib bleibt bstendig in unfal.

Noch will ich sie zum dritten mal

Versuchen noch mit eyner prob.

Ligts in geduld und ghorsam ob,

Will ichs denn mit rhu lassen bleyben,

Sie darnach ehrlich halten und schreyben

Ein kron ob allen edlen weyben.


Der marggraff geet auß.


Quelle:
Hans Sachs. Band 2, Tübingen 1870–1908, S. 51-56.
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