29. An Friederich von La Motte Fouqué

[355] Zwei Sonette.


1.

Ich saß in meiner heimatlichen Laube,

Da sank aus Lichtgewölk ein Blatt herab,

Gleich zarten Blüten auf ein einsam Grab;

Bracht' es ein Adler, oder eine Taube?


Ein Täubchen war es, rein vom Erdenstaube,

Das freundlich nahend mir die Kunde gab:

Ein Blatt zum Kranz an deinem Pilgerstab

Weiht dir ein Sänger, reich an Geist und Glaube.


Im Waffenfeld, als Heldenjüngling schon,

Traf einst dein Lied, nur dem Gemüt entquollen,

Entsprechend seiner Seele reinem Ton.


Wär' auch dein Laut im Wind der Zeit verschollen,

Du trugst aus edler Hand den Preis davon:

Mein Sender liebt dein Glauben und dein Wollen.


2.

Du reines Täubchen, kehre treu nun wieder,

Und überschwebe fernhin Land und Flut!

Begrüße mir den Meister süßer Lieder,

So kindlich fromm, so geistig klar und gut!


Dort lasse dich auf seine Harfe nieder,

Die bei dem Schwert zu seiner Seite ruht!

Sag ihm: es ehrt der Schweizer fest und bieder

Den Freiheitssinn vereint mit Rittermut!


Zum Lorbeer, den die Muse dir gewunden

In reicher Dichtung goldnem Zauberglanz,

Fügt gern dein Freund den Alpenblumenkranz!
[356]

Doch, was dein Herz in höchster Weihe Stunden

Vom Heiligsten, dem Göttlichsten empfunden,

Gewann dir, Edler! seine Seele ganz.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 41, Stuttgart [o.J.], S. 355-357.
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