|
[309] Blätter treibt des Kirchhofs Flieder,
Neigt auf Grüfte junges Laub;
Kirschenblüte gaukelt nieder
Auf der Abgeschiednen Staub.
Bleicher Primeln Keime lüpfen
Sanft das Moos, das sie umgab;
Und des Dorfes Kinder hüpfen
Achtlos auf der Mütter Grab.
Junges Sinngrün drängt sich dichter
An des Jünglings flachen Stein,
Öffnet blauer Blumen Trichter,
Saugt zerfloßnen Reifen ein.
Schlaff gedrückte Halme richten
Sich vom Winterschlaf empor,
Und in naher Waldung Fichten
Flötet laut ein Drosselchor.
Drosseln, singt in leisen Chören!
Amsel, flöt im Trauerhain!
Nur wir Hinterbliebnen hören
Eure Frühlingsmelode'n.[309]
Ach! ihr mahnt an die Genossen,
Die ein früher Tod verklärt;
An die Lenze, die verflossen,
An die Zeit, die nimmer kehrt!
Flötet nur gelaßne Klage,
Hemmt der Trauertöne Lauf;
Denn sie nahm von dunkler Tage
Letzter Stuf' ihr Engel auf.
Kies und dunkle Schollen warfen
Wir auf den versenkten Sarg,
Als, begrüßt von Himmelsharfen,
Sich ihr Geist in Licht uns barg.
In des Geisterreiches Stille
Tobt kein Sturm der Leidenschaft,
Und des Guten reiner Wille
Lohnt sich durch erhöhte Kraft;
Seelen, fremd im öden Thale
Der umschränkten Wirklichkeit,
Fanden froh die Ideale
Seliger Vollkommenheit.
Ihre Schwächen sind vergessen,
Groll und Zwietracht sind versöhnt,
Wo die Reue mit Cypressen
Der Gekrönten Stätte krönt.
Aus des niedern Neides Schranke
Zu des Friedens Höh' entrückt,
Ritzt sie nie der Bosheit Ranke,
Die des Edeln Pfad umstrickt.
Kühler Rasen überschleiert
Sorgsam der Verwesung Spur;
Auf des Moders Halle feiert
Frühlingsfeste die Natur;
Und die Thräne der Empfindung,
Wenn ihr Grabgeläut' verklingt,
Schmückt die Kette der Verbindung,
Die ins Geisterreich sich schlingt.
[310]
Auf den Gräbern unsrer Väter
Sprießt des Erdrauchs Purpurstrauß,
Ein entwölkter lautrer Äther
Überwölkt ihr enges Haus;
Auf vermorschter Särge Reste,
Auf zerbröckeltes Gebein,
Wallt durch weiße Blütenäste
Goldner Frühlingsmorgenschein.
Selbst wo rasenlos und mürbe
Sich ein neuer Hügel hebt,
Wo man den, der heute stürbe,
An die Reihe hin begräbt,
Wird der Grund sich bald behalmen;
Wo jetzt Wermutstengel stehn,
Hebt die Hoffnung Siegespalmen
Für das große Wiedersehn.
Drückt euch dicht, ihr Epheuzweige,
An der Dulder stilles Grab!
Schlaffe Trauerweide, neige
Dein Gelocke tief herab!
Flattert drüber, Hängebirken,
Dämpft den Tag umher durch Laub,
Und, Natur, mit leisem Wirken
Wandl' in Blumen ihren Staub!
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Aristophanes hielt die Wolken für sein gelungenstes Werk und war entsprechend enttäuscht als sie bei den Dionysien des Jahres 423 v. Chr. nur den dritten Platz belegten. Ein Spottstück auf das damals neumodische, vermeintliche Wissen derer, die »die schlechtere Sache zur besseren« machen.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro