57. Abschied von der Harfe

[326] Noch einmal tön, o Harfe,

Die nur Gefühle tönt!

Verhalle zart und leise

Noch jene Schwanenweise,

Die auf der Flut des Lebens

Uns mit der Not versöhnt!


Im Morgenschein des Lebens

Erklangst du rein und hell!

Wer kann den Klang verwahren?

Durch Forschen und Erfahren

Verhallet' und versiegte

Des Liedes reiner Quell.


In spätern Jugendjahren

Hallt es schon zart und bang,

Wie Finkenschlag im Märze;

Mit des Entknospens Schmerze

Erbeben Herz und Saiten

Voll Liebe und Gesang!


Am Sommertag des Lebens

Verstummt das Saitenspiel!

Aus sehnsuchtvoller Seele

Lockt's noch, wie Philomele,

Schon seltner, aber rührend,

Nur Schwermut und Gefühl.
[326]

O schlag im dunkeln Busen

Der ernsten Abendzeit!

Will um das öde Leben

Des Schicksals Nacht sich weben,

Dann schlag und wecke Sehnsucht

Nach der Unsterblichkeit!

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 41, Stuttgart [o.J.], S. 326-327.
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