IV, 5.

[84] Die Altweibermühle mit der Inschrift: »Der Frühling schließt sich an den Winter an«.


Die drei Müllerburschen.


DER ERSTE.

Hier das Geschäft geht herzlich schlecht,

Seitdem die Männer nur auf Geld und Kleider seh'n

Bei ihren Heirathsplänen.

DER ZWEITE.

Ist mir eben recht!

Da können wir spaziergeh'n.

DER DRITTE.

Ich bin noch neu in der Verrichtung.

Wie geht die Wandelung denn vor?

Ich hielt sie sonst für Märchendichtung.

Jetzt habe ich ein gläubig Ohr.

DER ERSTE.

Das ist sehr einfach; sieh das Loch dort oben:

Das nimmt das alte Weibsbild auf.

Von uns wird es hineingeschoben,

Von uns das große Rad geschroben;

Dann geht die Mühle ihren Lauf;

Und unten kommt verjünget und verschönt,

Im vollsten Ebenmaß der Glieder,

Mit unvergleichlich holden Mienen,

Wie man sie an der Alten nicht gewöhnt,

Die Umgewandelte zum Vorschein wieder.[84]

DER ZWEITE.

Auch mir hatt' einst unmöglich es geschienen.

DER DRITTE.

Und giebt's darin ein groß Geklapper?

Hält die Person ein lang Geplapper?

Wie ist die Einrichtung beschaffen?

Darf ich in's Loch hinein wohl gaffen?

DER ERSTE.

Da siehst du nichts als dunkeln Raum.

Das Licht des Tags getraut sich kaum,

In's Zauberding hineinzudringen;

Es droht die Strahlen zu verschlingen.

's ist wie beim Menschen! Man sieht nur den Vorgang,

Nie doch den Puppenspieler hinter'm Vorhang.

DER DRITTE.

Doch was kann solche Wunderwirkung bringen?

DER ERSTE.

Da fragst du Naseweis zu viel.

Ich setz' nicht meinen Dienst auf's Spiel.

Der Herr allein weiß um die Sachen.

Soll ich mir Kopfzerbrechen machen?

Vielleicht beim Putzen finden wir zum Topf den Stiel.

DER ZWEITE.

Drin müssen starke Geister wirken

Aus unterirdischen Bezirken!

DER DRITTE.

Gebraucht der Herr nicht Zauberkünste?

Umgeben ihn nicht Nebel, Dünste?

DER ZWEITE.

J freilich sagt er Hexensprüche

Und holt Essenzen aus der Küche![85]

DER ERSTE zum Zweiten.

Du, Jokel, halte deinen Mund;

Sonst geb' ich dich dem Meister kund!

DER DRITTE.

Natur wirkt mächtig im Geheimen

Und läßt viel frisches Leben keimen. –

Nur Weiber bessern hier ihr Loos?

An Männern ist die Mühle wirkungslos?

DER ERSTE.

Ich hab' an mir noch niemals sie versucht.

Nur Weiber treiben ja die Frucht. –

Dort kommt ein Paar zu uns gegangen.

Das Weibchen hat wohl heiß Verlangen.

DER ZWEITE.

Sein Führer ist ein guter Kunde,

Wenn nicht gar mit dem Herrn im Bunde.

Wie seine Augen um sich stechen?

Er ist das Urbild eines Frechen.

DER DRITTE.

Nun werde ich leibhaftig sehen,

Welch' große Wunder hier geschehen.

DER ZWEITE.

Wär' nur der Meister schon zugegen,

So könnten gleich wir in's Getrieb' sie legen.


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 84-86.
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