[Vorspiel]

[9] DICHTER.

Ich habe da ein Stück geschrieben

Und bring' es ganz bescheiden her.

Es handelt von zu heißem Lieben,

Von Wissensdrang und noch viel mehr.

In breiten Strichen malt darin das rauhe Leben;

Der Fantasie ist Spielraum weit gegeben;

Naturgewalten schreiten frei umher.

Die stärksten Leidenschaften sprühen

In ihm, wie Flammen in Vesuv's Bereich;

Und zarte Regungen erblühen

Dazwischen, duft'gen Veilchen gleich.

Ich habe wirklich Kraft bewiesen:

Nicht Nebel fing ich auf der Flur;

Ich fischte thätig in dem Fließen

Der fortgestaltenden Natur.

Nun richt' ich an den Herrn die Bitte:

Zur Aufführung zu thun die Schritte.[9]

DIREKTOR.

Mein junger Mann, da kommen viele,

Zu viele täglich hier herein

Und reichen ihre Trauerspiele

Und Possen mir zur Prüfung ein.

Der Feuereifer, den Sie äußern,

Besitzt nicht über mich Gewalt.

Wir streben nur nach vollen Häusern;

Woher sie kommen, läßt uns kalt. –

Weist her! – Das ist ja nur geschrieben

Und nicht als Manuskript gedruckt.

Wer fühlte da zum Lesen sich getrieben!

Das wird erst gar nicht angeguckt.

Vielleicht läs' es mein Sekretär,

Wenn er nicht zu beschäftigt wär'.

Man wird ja selbst im Lieben lau,

Giebt täglich man sich ab mit einer schönen Frau.

DICHTER.

Bestimmt Sie denn nur Aeußerliches,

Und prüfen Sie nicht auf den innern Werth?

DIREKTOR.

Ich prüfen?! Leicht läßt uns im Stich es:

Wir spielen, was das Publikum begehrt

Und was der Kasse Geld bescheert. –

Was in Berlin und Wien gefallen,

Durch Zufall oft nur an das Licht gekehrt,

Das wird von uns dem lüsternen gewährt.

Und dann das alte Repertoir

Raubt uns die meiste Kraft noch gar. –

Dort wenden Sie Sich an die Musentempel;

Dort drückt man auf den rechten Stempel.

Experimente, die sind uns benommen.

Dazu ist das Büdget zu klein.

Wir freu'n uns, wenn wir auf die Kosten kommen.

Geschäftsmann müssen wir in erster Linie sein.[10]

DICHTER.

Es legt euch an der Broderwerb den Zügel

Und hemmt zuletzt zum kleinsten Schwung die Flügel.

So können kein Talent Sie unterstützen,

Es freuderfüllt aus seinem Dunkel zieh'n?

DIREKTOR.

Wenn einen Namen Sie einmal besitzen,

So treten Sie hier wieder hin.


Sieht sich das Manuskript nochmals an.


Oje! das sind auch gar noch Reime.

Das alte Eisen ist längst abgethan!

DICHTER.

Nein, Samen birgt das Heft und frische Keime!

So schauen Sie Sich's doch nur an!

DIREKTOR.

Vergebens, wahrlich! ist Ihr Bitten.

Seh'n Sie den Stoß, der seiner Auferstehung harrt?

Zur Tagesordnung wird geschritten.

Erbarmungslos bleibt alles eingescharrt.

Der Schauspieler nimmt das Manuskript an sich und liest darin.


DICHTER.

So will ich geh'n, um alle Hoffnung ärmer.

Ich seh' das Publikum um den Genuß beraubt!

DIREKTOR.

In die verkannte Größe hüllt sich noch der Schwärmer,

Der an die Wirkung seines Opus glaubt!

SCHAUSPIELER zum Direktor.

Das ist ein Stück, nicht bloß Gestückel!

Das wälzt sich durch die Menge durch![11]

Nehmt nur das Ding hier gleich beim Wickel!

Mit dieser Rolle Steine ich durchfurch'!

Ich treff' die Herzen mit urkräft'gem Stoße;

Ich heil' sie mit der Worte Balsam auch zugleich.

Diktion erhebt sich drin in's Große,

Und an Gestaltung ist es reich.

Ein Adler trägt das Junge auf den Schwingen;

Der wird es sicher zu dem Horste bringen.

DIREKTOR.

Ihr seid bestochen; und vom Eigenlobe

Des Dichters stinkt, was ihr das sprecht.

Daß ihr sein Sprachrohr seid, ist keine Trope.

Gesteht's! Das Stück ist herzlich schlecht.

SCHAUSPIELER.

Wasch' einer Mohren weiß!


Zum Dichter.


Mein Herr Poet!

Gebt euern Unhold mir nach Hause.

In meiner stillen Schaffensklause

Will ich erfreu'n mich dran, wie er sich dreht,

Wie er sich macht auf seinen Beinen breit,

Wie er bekommt den ersten Zahn.

Der wird schon beißen lernen mit der Zeit!

Er frißt sich sicher durch die Massen,

Langt er nur erst an's Licht heran.

DICHTER.

Ihn will ich denn zur Zähmung Ihnen überlassen.

Sie lesen wenigstens darin, und das ist heute viel,

Wo außer Achtung steht gebund'ner Stil.

SCHAUSPIELER.

Wißt! Laßt ihn drucken, dann kommt er

Doch unter Leute zum Beschau'n und unter Spötter.

Voraussicht nicht, ein glücklich Ungefähr

Bringt so vielleicht ihn auf die Bretter.

Der Zufall gilt oft für ein Werk der Götter.[12]

DICHTER.

Ich stimm' euch zu, wie jener Schüler,

Den der Mephisto einst berieth.

Doch wenn dadurch ein Unheil just geschieht,

Tragt ihr die Schuld als Taschenspieler.

SCHAUSPIELER.

Recht gern! Ja, den Praktinski möcht' ich spielen,

Der vielen aus der Tasche guckt!

Wenn sie den Teufel auch nicht fühlen,

So haben sie ihn doch einmal verschuckt.


Nach dem Direktor hinschielend.


Den Säckel hilft er ihnen füllen:

Sie thun erst nichts um Gotteswillen.

Das schließt nicht aus, daß dessenwegen

Das Ei sie neben's Nest doch legen.

Die besten Kräfte haben sie vor Augen

Und wissen nicht, wozu die taugen.

DIREKTOR heftig.

Geht das auf mich?! Dann her den Fetzen!

Ich will wohl zeigen, daß dem Bösen ich

Nicht voll verfallen bin: Den Guten zum Ergötzen,

Den Frommen aber sicher zum Entsetzen,

Geb' ich das Stück unweigerlich.

DICHTER.

Die Stichelei, der kräft'ge Treiber,

Hat hier gesiegt, nicht ich. – Ich dank euch beiden sehr.

Doch kennet ihr im Stück erst meine Weiber,

Steig' ich in eu'rer Gunst noch mehr.

DIREKTOR stutzig.

So ist das ganze Vorspiel eine Finte,

Die bloß mich stellt, und zur Reklame nur gemacht!?

Die bleibet weg und zeigt sich nur in Tinte![13]

DICHTER.

Erst jetzt fällt von den Augen euch die Binde!

DIREKTOR.

Ihr thut nicht recht, wenn ihr darüber lacht:

Wer hätt' beim luft'gen Dichter an Verstand gedacht? –

Nun fühl' ich eu'rer Wirkung Spuren!


Dem Dichter die Hand reichend.


Wir sind kongenialische Naturen!

DICHTER.

Vom Herrn Direktor äußerst gütig.

Ich werd' darob nicht übermüthig.

An Ihnen ich den Muth bewunder';

Denn ungelesen geben Sie den Plunder.

SCHAUSPIELER zum Dichter.

Ihr kennet längst schon eu're Stärke. –

Nun flugs zum Werke!

Ein jeder würd' es loben, der es sah,

Hätt' es nur schon die Patina.


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 9-14.
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