§. 4. Aiß anthun.

[202] Es ist dieses eine That der Rache. So hat Einer bey Neuenhammer einem Weibe die Aiß angethan, weil sie ihm Nichts einräumte.

Ein Bauer dortherum wurde von Einem an der Feldfrucht bestohlen und wollte ihm dafür die Aiß anthun. Er ließ sich aber Nichts merken und suchte mit ihm auf dem Wege zusammenzukommen. Er hatte nämlich gehört, wer Einem die Aiß anthun wolle, müsse diesem auf dem Fusse nachgehen, sich rückwärts bücken, aus der Fußspur etwas Erde nehmen und diese dann in ein Nest thun, über welchem die Henne brütet. So viel Eyer im Neste, so viel entstehen Aisse. Der Bauer that darnach, und da er immer neue Eyer zulegte, wenn die jungen Hühner auskrochen, so wurde der Felddieb über und über voll Aisse. Da kam die Bäuerin dahinter und zerstörte das Nest und half so dem armen Manne.[202]

In Bleystein hielt der Hirt den Gemeindestier; dieses Recht wurde ihm später entzogen; von nun an aber war kein Stier mehr zu brauchen: der Hirt wußte gar manche Kunst, und rächte sich so an der Gemeinde; aber auch der Nebenbuhler empfand die Kunst, denn er ward voll Geschwüre. Da rieth ihm ein Dritter, an's Feuer zu gehen, die Geschwüre auszudrücken und hinter sich in's Feuer zu werfen, mit den Worten: »Noch mal so viel!« Da hatte der Hirt das Geschwür und der Stier that gut.

Das Anthun erfolgt stets im aufnehmenden Monde, im Gegensatze zur Heilung durch Sympathie.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 3, Augsburg 1857/58/59, S. 202-203.
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