§. 2. Vorzeichen.

[329] Es wird eine Zeit kommen, wo Alles, was ist, nicht mehr ist. Doch nicht unvermutet soll das Ereigniß hereinbrechen, in welchem das Bestehende sein Ende finden wird; der Anzeichen des nahenden Weltunterganges sind gar manche und dem Auge, welches sehen will, entgehen sie nicht.

Das Ende kommt von dem Feuer im Innern der Erde, welches immer höher gegen die Oberfläche heraufsteigt: schon jetzt ist es bedenkliches Zeichen, daß die Körnerfrucht um vier bis sechs Wochen früher reift denn sonst; daher auch die häufigen Waldbrände, und die Minderung des Wassers in See und Fluß und Bach. – Dieses unterirdische, zerstörende Feuer ist Locki, der Zerstörer, der Teufel: nach der Edda liegt er zwar gefesselt: aber er wird seine Fesseln sprengen und dann ist der Teufel los.

Es werden ausserdem heisse Jahre einfallen und in Verbindung mit der steigenden Gluth unter der Erde diese dürr und unfruchtbar machen, und grosse Theuerung über alle Länder bringen.

Wie die Erde keine Frucht gibt, soll auch, und zwar sieben Jahre vor dem Ende, die Zeugung der[329] Menschen aufhören und kein Kind mehr geboren werden, damit kein »Unschuldiges« sterbe.

Die Sonne wird erst verkehrt, im Westen aufgehen, einige Zeit darnach keinen Schatten mehr geben, am letzten Tage ganz schwarz seyn; schon Tags vorher ist der Mond verschwunden. – Sonne und Mond werden den Schein verlieren, drey Tage vorher nicht mehr recht seyn.

Nun tritt eine grosse Schwüle ein, und in kurzer Zeit steht die Welt in Brand.

Ehe aber Alles dieses geschieht, ist der katholische Glaube so klein geworden, daß er unter dem Schatten eines Birnbaumes Raum hat, mit seinen sieben Anhängern unter dem kalten Baum ruhen kann – Erbendorf – oder mit einem Kartenblatte zugedeckt werden mag, – Velburg – und auch die Unterwelt wird ihre Geister wieder geben, ja sie gehen schon, damit sie Zeugniß ablegen von dem Tage, dem nahenden, des Gerichtes. Neuenhammer.

Zu diesen Vorzeichen gehören ferner noch eine Menge anderer Umstände, aus deren Eintreten man abnehmen kann, daß es nicht mehr lange währt.

Wir haben jetzt noch eilf Päbste, dann geht die Welt unter. Der letzte Pabst wird Petrus heissen wie der erste. Bisher wagte es Keiner, sich diesen Namen beyzulegen. Vom Geiste Gottes getrieben soll sich aber ein Priester, der in Rom geboren zum Oberhaupte der Kirche erwählt wird, diesen Namen geben. Dann wird ein Hirt und ein Schafstall seyn. Rom[330] geht unter, Christus erscheint und wird nach dem Weltgerichte mit seinen Getreuen noch Tausend Jahre auf der verjüngten Erde herrschen, um sodann alle Menschen in den Himmel hinüberzunehmen. Türschenreut.

Wenn die Bauern lange Hosen tragen, die Wägen ohne Rosse gehen – Neuenhammer –

wenn Sammt und Seide in den Stall gehen, – die Bauernmädchen ohne Kopftuch zur Arbeit kommen – oder in Strümpfen und Schuhen zur Kirche ziehen, statt sie wie bisher auf dem Wege in der Hand zu tragen und erst vor der Kirche anzulegen –

wenn Bauer und Bäuerin gesondert von den Dienstboten essen –

der Bauer weiß, wie ein ausgebalgter Hase aussieht und die Hühner vom Hofe selbst auf seinen Tisch bringt, – Rigau –

wenn die Bauern rothe oder doch bierfarbene Hüte aufsetzen –

mehr uneheliche als eheliche Kinder geboren werden –

Ehebruch keine Sünde ist –

wenn weiter statt des Sommers »lauterer Winter« ist – sämmtlich aus Pfatter –

wenn die Weiber Eisen um die Augen tragen, d.h. Hauben mit an Draht aufgezogenen Spitzen – Bleystein –so sind dieses die Vorboten des Endes.

Als Sprüchwort heißt es bey Türschenreut: »Trägt man einst rothe Hut, hält die Welt nicht mehr gut.« und »Wenn Sammt und Seide in den Stall werden gehen, kann die Welt nicht lang mehr stehen.«[331]

Christus sagte einst, als er allen Heiligen eine Bitte gewährte, zu Johannes dem Täufer, der ihn darum frug: »Wenn mein Tag – Fronleichnam – und dein Tag zusammenfallen, ist das Ende der Welt nahe« – dann: »Tausend und wieder Tausend, Abertausend und nicht mehr Tausend!« – Schlammersdorf. – Türschenreut.

Ferner heißt es: »Wenn der Wald gepflanzt wird von Menschenhänd, wird es bald gehen zu einem End« – ebenso, wenn die Welt eisern wird, d.h. mit Eisenbahnen überzogen ist – wenn die Weiber Hörner auf dem Kopfe tragen, d.h. hohe Kämme: diese Sitte ist daher teuflisch und arge Sünde. Schlammersdorf.

Um Erbendorf ist es Anfang des nahenden Endes, wenn die Bauern die Stauden ausgraben und die Raine nicht mehr dulden.

Wenn lange Winter und kurze Sommer einander folgen, sollen sich die Menschen aus den Wäldern räumen. Waldkirch.

Ist um Waldkirch einmal das Holz so abgetrieben, daß nur mehr Blössen dastehen, so wird die Schlacht am kalten Baum geschlagen und damit das Ende kommen. Aehnliches in Altbayern. Wenn der Wald so abgetrieben ist, daß man von Dittelskirchen im Hafnergau bis gen Vilsbiburg sehen kann, kommt die böse Zeit. Dem zur Seite steht der Spruchreim:


Háuchi Höyd und nidarne Schöych

wern bringa-r an gráuß'n Kraig.


Ein altes Mütterchen sagte: »Wenn die Welt wird alt, werden die Sommer kalt. Es werden keine Sommer[332] mehr, nur Sommerln. Die Welt wird zerrissen wie ein altes Kleid«. Wondreb.

Das Werfen der alten zerrissenen Schuhe auf den Mist gehört nicht minder zu den Vorzeichen: man achtet dann der Armut nicht mehr, wenn gleich die Donnerwetter und damit der Donnergott selber ihren Unwillen bezeugen und da, wo solche Schuhe bloß liegen, viel hitziger sich erweisen. Waldkirch.

Das Volk nimmt somit seine Anzeichen theils aus der Natur, die es umgibt, theils von sich selber, von den Menschen. Es ist ein alter Spruch: »Wie die Menschen, so die Zeit.« Vor Allem knüpft es den Bestand an Wald und Wasser: wie dem Walde, ergeht es dem Menschen. Aus dem Baume, der Esche und Ulme, haben die Götter das erste Menschenpaar geschaffen. Wird der Wald unnatürlich abgeschwendet, insbesondere an Bergen, den Häuptern der Quellen, so mindert sich auch das Wasser. Seit einem halben Jahrhunderte wurde der Kreuzzug geprediget gegen Wald und Wasser: kein Wunder, wenn die Scheue, an den Gesetzen der Natur zu rütteln, dem Volke abhanden kam. Die Fabel von der Henne und dem goldenen Ey ist allerorten in's Praktische übersetzt. Daß sodann die Aenderung des Klimas, eine nothwendige Folge der Versündigung gegen die Natur, mit zu den Anzeichen gezogen wird, erklärt sich von selbst. Treue gegen die Natur ist erste Anforderung zur Erhaltung der Weltordnung: oberstes Gesetz des Germanen aber ist das der Treue, auf sie das Leben der Familie wie des Volkes gebaut.[333]

So lange ferner das Volk sich selbst treu bleibt, kann es die Weltordnung erhalten. Aber auch diese Treue ist vielfach gelockert. Die reine, einfache Sitte des Volkes weicht dem Egoismus, der Genußsucht, der Geldgier, um jener zu fröhnen. Die alte sittige Tracht wich französischem Luxus und wälscher Wandelbarkeit, der Boden muß fremdländische Früchte erzeugen, auf die er nicht von der Natur angewiesen ist, der Tisch des Landmanns wird, wo thunlich, nach Art der Städter bestellt, die Treue in Ehebett und Wandel ohne Scheu gebrochen. So wird das Volk sich selber untreu und damit seine Weltordnung vernichtet. Der Strafen, welche die Alten auf den Treubruch setzten, des kommenden Unterganges, lacht man als eines Märchens und sucht eben nur im Augenblick, in der Gegenwart, Zweck und Ziel: der Zukunft, der Nachkommen, wird nimmer gedacht!

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 3, Augsburg 1857/58/59, S. 329-334.
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