1.

[327] Manchmal hielt sich bey den Pferden im Stalle ein geisterhaftes Wesen auf, Schragerl genannt. Wenn die Leute Morgens in den Stall kommen, so sind die Thiere in Schweiß gebadet; denn in der Nacht ist das Schragerl auf ihnen geritten.

Noch ein anderes Vergnügen finden diese neckischen[327] Geisterchen darin, daß sie Mähne und Schweif in eine Unzahl kleiner Zöpfchen flechten, die man mit vieler Geduld und Mühe lösen muß. Selbst das Futter wird nicht verschont; sie flechten kleine Strohriegerln davon.

Wo das Schragerl einkehrt, soll Glück weilen; gleichwohl sehen es die Leute nicht gerne im Stalle seine Behausung aufschlagen, weil das Vieh zu sehr davon geplagt wird.

Was hier von den Pferden, gilt auch vom Rindvieh in Stalle, dem der Schweif in Zöpfchen geflochten wird. Bärnau.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 327-328.
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