4. Die Milch.

[333] Damit die Kuh recht viel Milch gibt, klöpfelt man das Euter mit einem neuen, ungebrauchten Kochlöffel. Falkenstein.

An gewissen Tagen darf man keine Milch über die Gasse geben, sie wäre dann zuerst übersotten. Der böse Blick neidischer Leute schadet der Kuh, benimmt den Nutzen; mit Zauberkünsten setzen sich böse Leute in den Genuß des Nutzens. Diese Zeit des Verbotes dauert von Barbara bis nach Walburgi; besonders gefährlich sind die Quatembertage und Walburgi. Was von der Milch, gilt auch von Butter und Schmalz, welches den Winter über erzeugt wurde, besonders von einer Kuh, die gekälbert hat. Auch nicht Speisen aus Milch und Schmalz soll man über die Gasse geben. Vor Allem wird der Blick der Zigeuner und Schauspieler gefürchtet. Dieser Glaube geht durch das ganze Land, und wer gegen ihn sich verfehlt, verliert den Nutzen fürs ganze Jahr.

Brod in Milch zu schneiden, statt zu »brocken«, ist unerlaubt; man schneidet der Kuh das Euter ab. Voitenthann. Tänesberg.

Häufig kommt vor, daß die Kuh Blut statt Milch gibt; kommt es davon, daß die Kuh in einen Hexentritt getreten ist, so hat es nicht viel auf sich, man gibt ihr von dieser Milch zu trinken, und der Zauber weicht. Waldthurn.

Aber meistens ist es die Hexe, welche dieses Unglück angerichtet hat; sie hat sich Milch von der Kuh oder[334] Butter zu verschaffen gewußt, und wirkt nun durch diese mit ihren bösen Künsten auf die Kuh, daß aller Nutzen ihr zugeht.

Andere boshafte Menschen erzwecken dasselbe, wenn sie vom Elsenbaume drey Zweige brechen, in die Tasche stecken, um dann ungesehen im Stalle unter gewissen Zauberworten der Kuh drey Streiche damit zu versetzen. Gefrees.

Eine solche Kuh ist nun verhext. Hilfe dagegen wird entweder vom Abdecker und Hirt erholt, oder man übt selbst bekannten Gegenzauber. Letzterer ist recht wirksam und der bösen Hexe äußerst empfindlich. Zu Tänesberg läßt die Bäuerin ihre arme Kuh in einen Erbsack pissen, und peitscht dann diesen mit Dornruthen aus Leibeskräften; jeder Schlag trifft die Hexe, und diese eilt, den Zauber zu lösen.

Andere kluge Weiber, wie zu Neumarkt, sammeln den Harn der verhexten Kuh in einer Schweinsblase, und hängen diese fest zugebunden in dem Kasten auf; es dauert nicht lange, so kommt die Hexe und bittet, die Blase herauszunehmen: denn es geht ihr an das Leben; so wie nämlich der Harn eintrocknet, dorrt sie selber aus. – Nicht minder ergiebig verfährt man in anderer Weise zu Bärnau. Dort reibt man das Seihetuch mit Seife ein, siedet es und zieht es über ein auf das Melkstühlerl gelegtes Reibeisen hin und her, so oft, bis es zerreißt. Was dem Tuche, widerfährt der Hexe. – Nicht weit davon, zu Lohr, siedet die Bäuerin die verhexte Milch und fährt dann mit einer Erbsichel am[335] Rande des Gefässes hinum, so schneidet sie die Gewalt des Zaubers an der Hexe ab; doch darf sie nicht in die Mitte der Milch hinein gerathen, sonst trifft sie das Leben der Hexe. – Wird aber der Hirt gerufen, so muß es schon arg stehen; der geht mit der Bäuerin in den Stall, verhüllt ihr das Gesicht, sagt dann seinen Spruch, und zwingt damit die Hexe zu erscheinen. Die Bäuerin darf ihre Hülle nicht eher abnehmen, als bis es der Hirt erlaubt. Doch verzichtet sie gewöhnlich auf das Erscheinen der Hexe, zufrieden, daß der Zauber gelöst ist. Neustadt.

Nicht immer ist es indessen Zauber, der die Milch in Blut verkehrt. Die Bäuerin weiß recht gut, daß es gewisse Pflanzen gibt, z.B. die Teufelsblume, deren Genuß diese Folge mit sich führt, Waldmünchen, und daß Anblasen des Wieserls die Heck veranlaßt; dagegen reibt man das kranke Thier mit dem Balge eines Wieserls, welches vor Walburgi getödtet worden. Neustadt. – Auch das weiß die Bäuerin, daß die Hexe, wenn sie am Walpernabende in den Stall kommt, ohne Melkstühlerl nicht melken kann; sie versteckt daher dasselbe sorgsam vor Sonnenuntergang. Waldthurn.

Auch wird die Kuh geehrt, wenn am Walpernabende Semmel in nicht abgeblasener Milch gegessen wird; sie lohnt dieses durch viele Milch das ganze Jahr über. Neustadt.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 333-336.
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