§. 37. Rosenberg.

[391] In dem Felsen, auf welchem das zerstörte Schloß Rosenberg bey Sulzbach steht, ist am Ostertage der Eingang offen, und tritt man ein, so kommt eine Jungfrau entgegen, weiß gekleidet, welche winkt. Aber man wagt es nicht, an sie zu kommen: denn eine ungeheure Schlange ringelt sich an ihr empor und sperrt, so oft sie winkt, den zahnreichen Rachen auf. In der[391] Burg selber fand man einen grossen steinernen Sarg, und diesem gegenüber in der Ecke lehnte ein Gerippe.

Eine Dirne ging Nachts des Weges und erblickte auf dem Felsen das Schloß hell erleuchtet und das Thor geöffnet. Sie trat unbefangen ein und ward von einer schönen Jungfrau empfangen, welche sie durch Gänge und Zimmer in einen grossen herrlichen Saal geleitete und da mit köstlichen Speisen bewirthete. Zuletzt eröffnete sie der Dirne, daß sie verwünscht sey und hier gehen müsse: eben sey wieder eine Reihe von hundert Jahren um, und damit die Zeit gekommen, wo sie ein Mensch erlösen könne. Der Lohn wäre groß, Alles, was im Schlosse an Schätzen sich finde. Dabey bat sie das Mädchen, sich ihrer zu erbarmen und sie zu erlösen: sie vermöge es; doch dürfe sie nicht erschrecken, wenn sie einen Drachen kommen sähe, der im feurigen Rachen den Schlüssel zu den Schätzen trage; den müsse sie ergreifen, um damit zu den Schätzen zu gelangen. Das Mädchen sagte zu, die bleiche Jungfrau aber bat sie noch einmal, ja nicht den Muth zu verlieren, und lieber einen Priester mitzunehmen. In der folgenden Nacht kehrte die Dirn wieder, aber allein: denn sie mochte dem Priester keinen Antheil an dem Lohne vergönnen. Die Jungfrau empfing sie wie gestern und bewirthete sie, bedauerte aber sehr, daß der Priester fehle. Als es gegen Mitternacht ging, entfernte sich die Jungfrau, nachdem sie noch recht innig gebeten hatte, ja das Werk der Erlösung zu vollenden: der Drache könne nicht schaden. Mit dem Schlage zwölf vernahm nun die[392] Dirn fürchterlichen Lärmen, und das Rasseln des Drachen; schweifringelnd brach er in den Saal herein, im geöffneten Rachen den Schlüssel. Die Dirn erbebte und entfloh durch eine Seitenthüre hinaus in's Freye. Da stürzte das Schloß zusammen und zerschneidendes Wehklagen folgte der furchtsamen Dirne.

Im Schlosse und seinen unterirdischen Gängen hausen noch die alten Ritter. Ein Handwerksgeselle gerieth einmal in das Schloß und sieht in einem Saale die Ritter sitzen: er bittet sie um Nachtherberge; aber Alle schweigen. Nur der Jüngste steht auf und bedeutet dem Eindringlinge, sich schnellstens fortzumachen, so ihm sein Leben lieb sey, und nichts zu melden von dem, was er gesehen.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 2, Augsburg 1857/58/59, S. 391-393.
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