4. St. Wolfgang.

[429] Eine Viertelstunde ausser Velburg, östlich davon, liegt ein Oertchen aus etlichen Feuerstätten bestehend, Hollenstein, oder auch vom dortigen Kirchlein St. Wolfgang genannt.

Das Kirchlein ist in mehrfacher Beziehung merkwürdig. Das halbrunde Presbyterium, mit Gurtengewölbe und Spitzbogenfenstern, soll ein Druidentempel gewesen seyn: es hat etwa 10 bis 12 Fuß im Durchmesser, und enthielt an den Wänden zwey Gedenktafeln, die nun verschwunden sind, die eine in[429] altgothischer Hieroglyphenschrift, die Niemand enträthseln konnte, die andere mit der Inschrift:

D.M. PEMTENA. DALMATA. VIX. AN. XXV.

Links im Presbyterium, und vor demselben im Schiffe sah man in dem alten gegossenen, roth und blauen Fußboden zwey Brandstellen, muldenförmig, wo nach der Sage die Feuer zu den heidnischen Opfern gebrannt haben sollen. Nach Anderen rühren sie von den Schweden her. Sie sind verschwunden, weil der Gußboden durch Ziegelpflaster ersetzt ist.

Das säulenlose Schiff ist offenbar Anbau; es enthält zwey Flügelaltäre, der Chor deßgleichen. Schnitzwerk und Gemälde in altdeutschem Style sind näherer Untersuchung werth. Die Altarsteine sind kolossal aus Einem Steine. Hinter der Orgel verbirgt sich ein dem Untergange geweihtes grosses Wandgemälde, das Leben des heiligen Wolfgang in vielen Feldern darstellend. Dieser Heilige soll nämlich das Kirchlein geweiht haben: darum wird auch sein hölzernes Standbild, schön gearbeitet, die Axt in der Hand, noch darin verwahrt. Ich führe dieses an, um die Aufmerksamkeit der oberhirtlichen Stelle darauf zu lenken.

Merkwürdig ist auch die Sakristey. In des Gewölbes vier Enden sind vier grosse eiserne Ringe an dicken Hacken befestiget, Fensterstock und Thürgeschwelle aus Stein gearbeitet.

Der massive viereckige Thurm, an 100 Fuß hoch, soll von den Römern herrühren.

Die Leute meynen, das Kirchlein sey gebaut nach[430] dem Modell der Kirchen in den ersten Zeiten des Christentums.

St. Wolfgang muß früherer Zeit eine der berühmtesten Wallfahrten gewesen seyn, nicht bloß für die Oberpfalz, sondern auch für Deutschland bis an Elbe und Rhein, ein oberpfälzisches Altötting. Es kamen oft 50 bis 60 Kreuze zusammen, und weil die Pilger in der Stadt nicht Raum finden, übernachteten sie auf dem sogenannten alten Markte und dem Pilgram, d.i. den Feldern, welche vor dem oberen Stadtthore bis St. Wolfgang am Schloßberge sich hinziehen. Und nicht bloß der Andacht halber, auch zu Kauf und Verkauf langten die Pilger hier an: denn Velburg stand mit den Reichsstädten Nürnberg und Weissenburg in bundesfreundlichem Verbande, und es war ausbedungen, daß aus beyden Städten alljährlich Züge zu Wallfahrt und Markt sich hier einzufinden hätten. Zur Zeit der Reformation erlitt aber der Verkehr durch Kriegsunruhen vielfache Störung, und so wurde der Markt an jene Stelle übertragen, auf welcher sich Neumarkt seitdem anbaute. – Belege für die Berühmtheit der Wallfahrt in weiten deutschen Landen geben die Gemälde des Kirchleins. Es scheint, daß die hohe Wichtigkeit, welche dieser Punkt in heidnischer Zeit für die Götterverehrung genossen haben muß, sich auch noch im Christentume erhielt, daß dieses gerade hierin seinen Sieg feyerte. Um so mehr ist zu wünschen, daß dem Kirchlein die verdiente Würdigung werde.

Bemerkt wird noch, daß die Wallfahrt, welche jetzt[431] ganz eingegangen ist, durch Mönche aus Kloster Waldsassen versehen wurde.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 2, Augsburg 1857/58/59, S. 429-432.
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