§. 17. Heidnische Seite der vorstehenden Anschauungen.

[139] Wie im Winde die obersten Gottheiten, Wodan und Frigga, sich offenbaren, welche das Luftreich beherrschen, so in den Erscheinungen des Dunstkreises der Donnergott mit seiner Gemahlin, der Regengöttin Sif. Das ganze Gebiet der meteorologischen Erscheinungen steht ihnen zu, dem Donar das Gewaltige, das Wetter mit Blitz und Donner, der Sif das Mildere, der Regen, wie es noch jetzt mit Anspielung auf sie »sifern« heißt, wenn leichter, feiner, aber desto mehr befruchtender Regen fällt. Ist einerseits Donar Träger des himmlischen Feuers, so Sif die Spenderin des atmosphärischen Wassers, des Wassers vom Himmel, und somit in beyden die Vermählung von Feuer und Wasser zum Ausdrucke gelangt, eine Verbindung, welche vollkommen der Ordnung in der Natur entspricht.

Beyde Elemente erscheinen hier versöhnt, so feindlich sie auch in den unteren Gebieten der Erde gegen einander auftreten mögen.

Vor Allem geht der Blitz von Donar aus; darum heiliget er auch, was er berührt, dem Gotte und weiht[139] es, weßhalb der Mensch vom Blitze getroffene Gegenstände nicht mehr in seinen Dienst verwenden darf: sie sind nun Eigentum des Gottes. Es kann also nicht befremden, wenn das Volk die vom Blitze erschlagenen Menschen vom Teufel geholt seyn läßt. Mit dem Blitze fährt der Donnerkeil hernieder. Das Volk heißt ihn Strahl und benennt mit diesem Namen jeden spitzen Krystall, den es in der Erde findet.

Der Donnergott ist vorzugsweise der wagenfahrende Gott, auch in Asgard; das Rollen seines Wagens im Himmel ist jetzt noch dem Volke das Donnern.

Wetter machen fruchtbar wie Regen: daher sind Donar und Sif zugleich Gottheiten, welche Saat und Frucht schützen und zur Reife bringen, die Ernährer der Menschen. Daher ist auch keines Gottes Erinnerung im Volke so stark, so unverwüstlich wie die des Donar. Er ist der Himmelvater, der Alte, welcher weniger im Donner zürnt und dann durch Gebete und Opfer versöhnt wird, als mit seinen Gewittern Fruchtbarkeit sendet. Er ist um so mehr der eigentliche Bauerngott, als er ihrer nicht bloß im Leben, sondern auch im Tode sich annimmt und ihnen die weiten Hallen seiner Himmelswohnung, der größten von Allen, öffnet; denn die Knechte kommen zu Thor, sagt die Edda, und die Knechte hatten das Feld zu bestellen. Mit vollem Grunde ist daher in der christlichen Zeit an die Stelle dieses väterlichen Gottes – Gott Vater getreten.

Wo St. Petrus in seiner harmlosen Weise mit Blitz, Donner, Regen, Schnee in Verbindung tritt und[140] als gutmütigen, wenn gleich unbeholfenen Alten sich erweist, ist Donar hinter ihm verborgen, der treue Nothhelfer der Götter wie der Menschen.

Es wird auch dem Donar der Dank dargebracht von den Erstlingen der Aerndte, unter den Feldarbeitern Einer ausgewählt, der seine Stelle vertritt, den Ehrensitz beym Dankmahle einnimmt und doppelten Antheil erhält.

Und zürnt auch der Gott, so wird er besänftiget, wenn er das Feuer ihm zu Ehren vom Herde brennen sieht; und seine goldhaarige Gemahlin tritt sühnend dazwischen, wenn sie die Ehrfurcht schaut, womit das Volk ihre Gabe, den Regen, begrüßt und selbe in geweihte Gefässe beschließt. Darum ist auch des Wetters Macht gebrochen, so wie es zu regnen beginnt. Darum aber ist auch die heilige Jungfrau an die Stelle der Sif getreten. Maria wird um Regen angerufen, wie vordem die Regengöttin, und aus den Frauentagen die künftige Witterung und das Glück der Aerndte gedeutet.

Insbesondere sind es zwey Tage, welche von hoher Bedeutung sind: Maria Lichtmeß, am 2. Februar, wegen der künftigen Ackerbestellung, und Maria Heimsuchung, am 2. Juli, wegen glücklicher Einbringung der Aerndte; denn wie U.L. Frau an diesem Tage über das Gebirge geht, geht sie wieder heim, oder: das Wetter des 2. July dauert sechs, nach anderen gar zwölf Wochen lang.

Wohl betet das Volk nicht mehr zum Donnergott, doch flucht es nicht selten in Flüchen, die von ihm hergenommen sind.[141]

Es ist kein Volk wie das der Oberpfalz, welches so gerne in Freud und Leid beym Ausdrucke seiner inneren Bewegung das lieb gewonnene: Ui Duna – oder: Duna – r und Weda – beyzufügen pflegt.

Donar hat rothes Haar und rothen Bart. Diese Farbe erregt im Volke grossen Anstoß, besonders oben am Böhmerwalde, wo die Leute, wie heute noch die Spanier, nur zwischen schwarz und roth unterscheiden. Mädchen sind daher zu Gunsten eines Freyers, der nicht ganz dunkles Haar zeigen kann, nur schwer zu bewegen, und leiden sie selber an dem Gebrechen, blonde oder röthliche Haare zu besitzen, so verhüllen sie sorgsam das Haupthaar mit dem Kopftuch. Dieses ist um so auffallender, als die Kinder dort herum eine Fülle des schönstgelockten, weißgelblichen Haares aufweisen. »Rauds Hauar und Jarlhulz wachsn af koin goudn Buadn« – lautet das Sprichwort, und wer etwas sicher verbergen will, thut es unter einen rothen Bart: da sucht Niemand etwas Gutes.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 2, Augsburg 1857/58/59, S. 139-142.
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