§. 4. Heidnisches Wesen von Wind und Windin.

[114] Der Wind gilt als göttliches Wesen, denn er wird noch jetzt als Herr angeredet. Er hat gleichfalls eine weibliche Hälfte, die Windin, und die Sage meldet sogar von seinem Kinde, für welches er Nahrung und Opfer verlangt, wenn er zur Ruhe kommen soll. Ich stehe nicht an, diese Verbindung von Wind und Windin als Wodan und Frikka zu nehmen: ihnen reiht sich in der Sage ein kriegerisches Gefolge zur Seite; im scharfbeissenden Winde zur Zeit des Früh- und Spätjahres weht geradezu der Böse, der Teufel.

Daneben erhellt die Riesennatur des Windes und damit seine Gefrässigkeit, sein Menschenhaß aus der Sage, und sein Gefolge erscheint einmal in Gestalt von Vögeln, beydes Anknüpfungspunkte an die Edda.

Die Windsbraut ist schon ihrem Namen nach die eheliche Gefährtin des Windes, die gesteigerte Windin, die höchste Potenz der weiblichen Hälfte des Windes. Ihr Name ist in der Oberpfalz ein verschiedener, dem Böhmerwalde entlang die Windspral, das Windgspral, in engerer Begränzung Windspracha um Falkenstein,[114] höher hinauf Windspragga, um Waldthurn die Windspreidr und das Windgspreidr. Diese Ausdrücke sind, so weit sie nicht Sammelnamen, sämmtlich weiblich, in ihrer Deutung aber schwierig, weil unsicher, ob das vermittelnde s zur ersten oder zweyten Sylbe zählt; für letzteres spräche Windgspral und Windgspreidr, wenn die Form ächt wäre. Ich will Einiges zur Aufhellung versuchen.

Windspracha, Windspragga liesse sich als Windsbracha, Winds-Bragga, am auffälligsten zu altd. brocha, ag. brec, lat. bracca = Hose ziehen, und so natürlich auf Windhose deuten. Näher käme altd. bracho = Jagdhund, Bracke, wonach der Wirbelwind zum Windhunde würde, der im kreisenden Laufe seine Beute fängt. Aber die Mundart hat ital. a, entsprechend neuhochd. ä.

In Winds-breidr möchte braut versteckt seyn. – Spreidern heißt es vom Lichte, wenn es plötzlich oder beym Anzünden spritzt. Aber der Wirbelwind versplittert nichts, treibt im Gegentheile Alles zusammen, hebt es in die Höhe und läßt es in einem Haufen nieder. Das r am Ende von breidr, altd. brudhr, fällt zwar auf; der Oberpfälzer liebt aber gleich dem Nordländer das r in seiner Mundart, im Worte Druderer scheint mir das mittlere r sogar Ueberbleibsel aus thrudhr = Drud.

Windgspral ist deutlich Wind-Weib. Gspral heißt jedes Weib mit langen Beinen, dann auch die Beine selbst. »Die wirft im Laufen ihr Gspral umeinander,« sagt man von Einer, welche ihre Füsse über Maß auswirft.

[115] Spral ist die lange, altgermanische Nadel, meist von Holz, Birkenreisern, welche die Weiber jetzt noch am Hinterhaupte durch den aufgedrehten Haarknäuel ziehen, um so des Kammes zu entbehren. Spralen = den Spral durch die Wurstenden ziehen. Zusammenspralen = etwas mit grossen Stichen zusammennähen. – Wenn nach Schmeller Windsprauch, Windsprauk, Windgesprauder u.s.w. aus Windsbraut entstellt ist, so könnte in anderer Weise Windspral aus Windsfral entstellt seyn, und damit Analogie zu Holz-, Wald-, Wasserfral gewonnen werden. Damit würde man zu Frau gelangen, und weil ein Wagniß das andere hervorruft, für Windspragga bey Frikka, mundartlich Frecke, ankommen, der Gemahlin des eigentlichen Luftgottes Wodans. So wie dieser im Sturm, fährt Frikka im Wirbelwinde. Beyde führen die Menschen in der Luft dahin.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 2, Augsburg 1857/58/59, S. 114-116.
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