§. 12. Der Wald.

[38] Einst – etwa vor tausend Jahren – war der größte Theil der Oberpfalz noch Wald; vom Böhmerwalde an erstreckte er sich bis über die Vils herüber und schloß sich nördlich hin dem waldbewachsenen Fichtelgebirge an. Im Westen laufen die grossen Forste aus, welche noch jetzt als Trümmer des Urwaldes von der Donau bey Kelheim herauf in stetem Zusammenhange den Boden bedecken, gleich einem Walle, der diese Hinterwälder vor der Berührung mit dem Westen, Norden und Osten schützen sollte. Uebrigens kann man die Gränzen der einstigen Bewaldung an den Ortschaften aufsuchen, welche auf ried, richt, reut sich enden. Sie sind an der Stelle erbaut, wo der Wald abgerodet wurde; an andern Orten, oben am Böhmerwalde und Fichtelgebirge, geschah das Entforsten durch Abbrennen: noch tragen solche Flächen, meist nur zu wilder Weide verwendet, den Namen Brand.

Daher werden die Ortschaften auf ried, richt, reut, mit welchen das Land gleichsam übersäet ist, gegen Westen immer seltener, ein Zeichen, daß die heutige Kultur im Osten viel später zur Herrschaft gelangt seyn[38] muß. Doch ist nicht anzunehmen, daß die grosse Waldstrecke darum unbewohnt gewesen sey: die Germanen wohnten in Wäldern. Auffallend ist dabey, wie diese Ortsnamen sich vertheilen. Im Süden und Westen finden sich vorzugsweise die – ried, oberpfälzisch rayd; an der Naab und Vils zeigen sich die – richt, besonders um Amberg; längs des Fichtelgebirges und am obern Böhmerwalde erscheinen die – reut. So bilden sich drey grosse Gaue, welche gleichzeitig anderweite Eigentümlichkeiten in Sitte, Sage und Mundart aufweisen. Ich mache hierauf aufmerksam; es würde sich der Mühe lohnen, nähere Forschungen hierüber anzustellen.

Daß die Bevölkerung Altbayerns in spätern Jahrhunderten von Süden her in den Nordgau vordrang, ist unzweifelhaft; ein gewichtiges Zeugniß gibt die Mundart, welche in diesen Strichen nicht mehr rein erscheint. Unverkennbar ist aber die Grundlage ächt oberpfälzisch, Altbayerisches nur in einzelnen Lauten aufgesetzt; es mußte ja dem Oberpfälzer für hochdeutsch gelten. Je höher nach Norden, desto fester und abgeschlossener die eigene Mundart; ein Zeichen, daß die Bevölkerung von oben her eingezogen. An eine massenhafte czechische Bevölkerung am Fichtelgebirge und Böhmerwalde bis hin zur Naab zu glauben, ist Schwärmerey; findet sich ja vorzugsweise deutsche Bevölkerung jenseits des Böhmerwaldes im eigentlichen Czechenlande, und ist ausser der Mundart auch Sitte und Sage ächt deutsch; die Ortsnamen, welche czechisch seyn sollen, sind ausserdem nicht[39] gar so häufig anzutreffen, und stehen vereinzelt: auch unter diesen wird die Sprachforschung noch viel aufzuräumen haben. Beyspielsweise kommt es den Freunden des Slaventumes nicht darauf an, die Burg Trausnitz, auf der Friedrich der Schöne von Oesterreich gefangen saß, als Slavensitz zu bezeichnen, der Endung itz zu Liebe. Karl Siegert steht mit seinen Schildknappen nicht einsam: was dieser Ritter für Keltentum, hat lange vor ihm Brenner in seiner Geschichte Waldsassens für das Slaventum geleistet: doch war dieser ein gründlicher Kenner des Slavischen. Eigene Liebhaberey dieser gelehrten Deutschen: alles wollen sie eher seyn, denn Deutsche, wenn nicht Slaven, so Kelten!

Das Wort: Forst ist dem Oberpfälzer nicht geläufig; er kennt nur den Wald und das Holz, letzteres vorzüglich als Privatwald. Ausserdem nimmt er von der Art der Bäume, welche den Wald bilden, eigene Benennungen für diesen, durch Anhängen der Sylbe ad, verkürzt a, wie das Birkad, Föhra, Oichad, Böychalad. Früher galt das schöne Wort: der Tann, wie es sich noch häufig für und an Ortsnamen findet. Auch das Wort Strut für Wald findet sich noch an Ortsnamen.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 2, Augsburg 1857/58/59, S. 38-40.
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