1006. Woher das Hundheimer Thor zu Röttingen seinen Namen bekommen.

[69] In Röttingen stand vor Zeiten ein altes Schloß, das jetzige Rentamtsgebäude. In die Gartenmauer dieses Gebäudes sind zwei Steine eingemauert, auf dem einen ist ein kleiner vorwärts gebeugter Hund ausgehauen, unter diesem auf dem andern Steine ein halbe weibliche Figur mit der Grafenkrone auf dem Haupte, und die Hände über den Kopf zusammenschlagend; nebenan steht unleserlich Anno Dm. 1300.

In besagtem Schlosse lebte ein Graf mit seinem gegen die Armen hartherzigen Weibe. Ihr Wunsch, Nachkommen zu haben, war bis jetzt noch nicht in Erfüllung gegangen. Eines Tages, als der Graf wie gewöhnlich zur Jagd geritten war, kam eine Bettlerin und flehte um eine Gabe, die ihr unter harten Worten von der Burgfrau verweigert ward, während im Hofe sieben Hunde reichlich aus ihren Schüsseln fraßen. Ergrimmt über solche Hartherzigkeit fluchte das Bettelweib der Gräfin, und wünschte ihr, wie sie da sieben Hunde habe, daß sie sieben Knaben auf einmal zur Welt bringen sollte. Dieser Fluch ging nur zu bald in Erfüllung. Bevor ein Jahr verflossen, kam die Gräfin mit sieben Knäblein nieder. Dessen erschrak sie höchlich und ließ alsogleich eine alte Frau zu sich rufen, die sollte sechs von den Knaben in der Tauber ersäufen. Wenn sie aber unterwegs gefragt würde, was sie im Korbe trüge, sollte sie nur sagen, sie trüge junge Hunde in's Wasser. Die Alte hatte indessen selbst Mitleiden mit den unschuldigen Kindern und als sie nun mit dem Korbe der Tauber zuging, traf es sich, daß ihr gerade der Graf begegnete. Auf seine Frage nach dem Inhalte des Korbes, antwortete sie zwar nach[69] Befehl, sie trüge junge Hunde in's Wasser, öffnete dagegen sogleich bereitwillig den Korb, dem Grafen die armen Geschöpfe zu zeigen. Da gebot ihr der Graf, die sechs Knaben mit nach Haus zu nehmen und im Stillen zu erziehen, er wollte schon für Alles Sorge tragen, nur müßte sie schweigen, wofür er sie reichlich belohnen werde. Gegen sein Weib ließ er sich gar nichts merken.

Als nun sein einziges, zurückbehaltenes Söhnlein groß geworden und das heilige Abendmahl empfangen sollte, wünschte der Graf, daß alle Knaben seines Alters dieselbe Feier mitbegehen sollten, und so kamen denn auch jene sechs Knaben in die Burg und noch dazu alle sechs so gekleidet wie der Sohn des Grafen. Auch waren viele Bekannte und Freunde zum Feste geladen. Als nun Alles in großer Fröhlichkeit bei Tische versammelt war, frug der Graf sein Weib, welche Strafe einer Mutter gebühre, die sechs Kinder habe umbringen lassen? Die Gräfin erwiederte, sie verdiente lebendig eingemauert zu werden. »Und so soll dir geschehen,« versetzte der Graf, indem er ihr nun die sechs Knaben der Reihe nach vorstellte. Solches Urtheil ist auch wirklich vollzogen worden; jenes Thor aber, welches gen Tauberrettersheim führt, soll von dem Hinaustragen der vermeintlichen Hunde den Namen Hundheimer Thor erhalten haben.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 69-70.
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