1046. Kunigundis in Flammen.

[98] Von Hornthal. – Ludewig I., p. 354. A. Crammer l.l.p. 135.


Als Kunegundis hatt' entsagt der Welt

Und den Sinn auf Höh'res gestellt,

Vom ird'schen Thun und Treiben fern

Als Nonne lebt' im Kloster still,

Und harrte da auf ihr letztes Ziel,

Liebt' sie in frommem Herzen gern,

Wenn sie des Tages mit brünstigem Gebet

Und Casteiung sich der Buße befleißen thät,

Auch Nachts, bevor sie zur Ruh sich legt',

Zu lesen noch in der heiligen Schrift

Und sich herzinniglich zu erfreu'n,

Wie da drinnen so schlicht und recht

Gottes Worte geschrieben sei'n.
[98]

Und wieder einmal gerade sich's trifft,

Daß sie drinnen recht lang gelesen

Und, wie sie zuletzt ganz müde gewesen,

Sich legt auf ihr hartes Strohlager hin –

Denn andres Lager erlaubt sie sich nicht,

Dieweil sie lebt in strenger Bußepflicht –

Und schläft bald darauf recht friedlich ein.

Dabei thät sie viel Süßes träumen,

Wie sie geht in des Himmels Räumen,

Und die Engelein alle in goldnen Reih'n

Mit lieblichen Grüßen zu ihr treten

Und mit ihr zum Herrn inbrünstig beten,

Und wie der zu ihr spricht mit huldreichem Ton:

»Kunegundis, da nimm die Heiligenkron'

Für dein mir gefälliges Leben zum Lohn!«

Und so noch gar manch himmlisch Spiel

Sie da im Traume umgaukeln will.


Bei ihr aber war ein Mägdelein,

Das pflegt immer mit ihr die Andacht zu üben;

Und weil es so frommen Gemüths und rein,

Thät sie es über die Maßen lieben.

Wie nun Kunigundis jetzt schläft so gut

In Gottes und der lieben Engelein Hut:

Das Mägdlein neben dem Bette sitzt

Und, daß es die Zeit gottgefällig nützt,

Zu Handen nimmt ein brennend Licht

Und liest noch in der heil'gen Geschicht!

Und weil sie daran sich so sehr erfreut,

Vergißt sie ganz die späte Zeit,

Mag der Ruhe gar nicht gedenken,

Zu Gott den frommen Sinn nur lenken.

Da aber befällt sie endlich des Schlafes Macht;

Und ob sie auch sein sich möcht' erwehren,

Muß sie ihm doch den Willen gewähren.


Als nun entschlummert die treue Magd,

Sinkt ihr das Licht aus der matten Hand

Und fällt auf Kunegundis Bett,

Das also gleich in Feuer geräth

Und prasselnd lodert auf in Brand,

Daß drob rings die Schwestern wachen auf

Und eilig stürzen herbei in Hauf'[99]

Und heben ein gar kläglich Jammern an,

Als lächelnd sie schau'n die heilige Kunigund'

Süß schlummern in heller Flammen Rund.


Die aber ist jetzt heiter erwacht;

Und wie sie sich schaut in des Feuers Macht

Und von gierigen Flammen ringsum bedecket:

Die Händ' sie gläubig zum Himmel ausstrecket

Und macht des heiligen Kreuzes Zeichen:

Da müssen die Flammen allplötzlich entweichen,

Und unversehrt lassen sogar ihr Kleid,

Und dann auf einmal erlöschen ganz.


Dann aber erhebt sie sich in Freudigkeit,

Und mit ihr die Nonnen allzumal

Und thäten hinsinken vor ihrem Herrn und Gott

Und ihm danken mit tiefglühendem Gebet,

Dieweil er aus solch' entsetzlicher Noth

Die fromme Heil'ge errettet hätt'

Und an ihr, die ihn stets in Demuth geliebt,

Seine Huld so wunderbarlich geübt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 98-100.
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