1212. Die Sage vom schwarzen Kalb.

[226] Mündlich.


In einem Haus zu München hat sich vor Zeiten eine Geschichte begeben, welche noch jetzt von alten Leuten erzählt wird. In selbem Hause ließ sich ein Geist in Gestalt eines schwarzen Kalbes sehen. Ein Geistlicher wurde geholt, den Geist zur Ruhe zu bringen. Da zeigte es sich, daß es die verstorbene Hausfrau war, welche zeitlebens ein böses Weib gewesen. Der Geist wollte sich nicht so leicht ergeben, bis man ein von Beschwörern oft angewendetes Mittel versuchte und ihn in eine zinnerne Flasche mit zugeschraubtem Deckel bannte. Noch in selbiger Nacht wurde die Flasche mit ihrem seltenen Inhalte in das große Erdinger Moos geschleppt und begraben. Dergleichen Flaschen und verdächtige Gefäße sollen schon manche in's Moos gebracht worden sein und hie und da beim Torfstich gefunden werden. (Auch die Augsburger »Wehmutter« geht als Kalb um.)

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 226.
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