118. Graf Babo von Abensberg.

[117] Von Franz v. Gaudy. – K.H.v. Lang schrieb über »die Fabel« von des Grafen Babo von Abensberg 30 Söhnen, worauf R. Zirngibl mit Beweisen antwortete.


Als Kaiser herrschte im deutschen Land

Henricus, der Zweite zubenannt,

Der sprach: »Geendet ist der Krieg,

Gott und mein Recht erstritt den Sieg,

Von Eisenhelmes schwerem Druck,

Von gold'ner Kette schwererem Schmuck,

Von Krieges, von des Herrschens Last,

Sei mir gegönnt die kurze Rast.

Des Kaiserhofes Herrlichkeit

Erblühe wie in früh'rer Zeit,

Und des Regensburger Schlosses Halle,

Vereine die Großen des Reiches alle.«


Von Ost und West, von Nord und Süd

Herbei die Schaar der Edlen zieht:

Dorther, wo begränzend die Eider fließt,

Vom Ufer des Rheins, wo die Rebe sprießt,

Von der Donau königlichem Strom,

Weither aus dem ewig herrlichen Rom,

Sie nahen, die Fürsten, die Grafen, die Herrn,

Die Edelfrauen von nah' und fern.
[117]

Und zu dem mannlichen Turney

Strömt müß'ger Kämpfer Schaar herbei,

Den funkelnden Ring herabzustechen,

Mit befiedertem Pfeil' zu spalten das Ziel,

Den Speer an stählerner Brust zu brechen,

Des Armes Kraft im Schwerterspiel

Zu proben vor der Schönheit Gericht –

Weß Edlen Herz begehrt es nicht?

Auf des Altans erhöhtem Rund

Gar oft aus lieblicher Frauen Mund

Ein bang Gelübd' gen Himmel steigt,

Wenn wohlbekannter Busch sich neigt;

Manch' ros'gen Mädchens Wang' erbleicht,

Wenn ihrer Farbe Träger weicht;

Gar manche dunkleres Roth umzieht,

Wenn beneideter Sieger vor ihr kniet,

Den Dank, erkämpft auf der Ehrenbahn,

Aus zitternden Händen zu empfah'n.


Hell klingt der silberne Pokal,

Hell Zink' und Pauk', im hohen Saal

Drängt sich das üppig bereitete Mahl,

Das laute Bankett in den fürstlichen Hallen.

Die Hand, die das Schwert so kräftig schwang,

Entlockt den Saiten zarten Klang,

Und die Frauen mit zärtlichem Wohlgefallen,

Sie lauschen dem zierlichen Minnesang.


Und der Kaiser sich rings umschauend spricht:

Nur einen der Edlen gewahr' ich nicht

In meines Hofes festlichem Kreis,

Den Grafen Babo, den trefflichen Greis,

Entsendet flugs den hurtigen Boten;

Zur Waidmannslust in Waldesgrün,

Die uns am Morgen soll erblüh'n,

Sei auch Graf Abensberg entboten.


Die junge Sonne schwingt sich herauf,

Da zieht der Jäger lärmender Hauf'

Dem Forste zu. Der Kaiser sprengt

Voran; der Schwarm der Ritter drängt

Sich hinterher. In grünem Gewand

Folgt langsam die Blüthe edler Frauen,

Norweg'sche Falken auf der Hand,

Mit Schellenkapp' und gefesselten Klauen.[118]

Gefleckter Schweißhund durchkreuzt die Flur

Von Thau benetzt, auf des Wildes Spur,

Die Koppel zerrt an der hemmenden Schnur

Mit lautem Geheul. Der Jagdruf erschallt –

Es birgt sich das Wild im dichten Wald.


Und der Kaiser den Palatin befragt:

»Ein Haufen Reisiger zieht dort heran;

Wer ist der kecke Edelmann,

Der unsers Gebotes zu spotten wagt?

Jedwedem Herren folg' ein Knecht,

So will's das alte Waidmannsrecht,

Wer ist der Vasall, der sich erfrecht,

Mit Hunderten einher zu reiten,

Als gält' es gegen den Feind zu streiten?«


Die fremden Reiter sind zur Stell',

Der Führer schwingt vom Pferd sich schnell

Wie'n Jüngling behend, wenn gleich die Jahre

Versilbert die dünn geringelten Haare

Und beugt vor dem Kaiser das Knie zur Erde;

Der spricht mit zürnender Geberde:

»Seid ihr's, Graf Babo, der das Mandat

So arg verletzt? Wohl bessern Rath

Hätt' ich verseh'n von grauem Haar;

Wozu der Knecht' unbillige Schaar?«


Darauf der Graf: »Des Kaisers Wort

Befolgt' ich getreulich immerfort,

Nach eurem Gebote bin ich hier,

Und einer der Diener nur folgte mir;

Dort jenen Junkern, den dreißig und zwei'n

Ein Knecht zieht Jedem hinterdrein,

Die zwei und dreißig allzusamm

Sind aber Sprossen von Einem Stamm,

Es sind meine Söhne lieb und werth,

Die mir des Himmels Gunst gewährt,

Die will ich dem Dienste meines Herrn

Gewidmet haben freudig und gern.

Nehmt meine Knaben, nehmt sie all',

Treu halten die Abensberger Wacht,

Der Kaiserbrust ein eiserner Wall,

Im Frieden, im Getümmel der Schlacht.«


Mit Staunen vernimmt die seltsame Kunde

Der Kaiser aus des Grafen Munde,[119]

Mit Staunen erblickt er der Brüder Schaar,

Wie gleiche Bildung wunderbar

Sich stellt im Knaben, im Manne dar.

Dann bricht er das Schweigen und spricht: »Ihr habt

Den Kaiser kaiserlich begabt,

Wo lebt ein Fürst, der solchen Bann

Um seine Fahne sammeln kann?

Habt Dank, habt Dank, mein treuer Vasall,

Habt Dank für eure Söhne all',

Und nehmt mein kaiserliches Wort:

Der Söhne Sorg' ist mein hinfort.

Und wenn der edle Stamm verdorrt,

Der sprossenreiche, so entsteige

Ein neuer Stamm jedwedem Zweige!«

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 117-120.
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