28. Der Hahnenkampf zu Kempten.

[29] Von A. Schöppner. – Nach Crusius ann. Suev. dod. I. p. 330 bei Grimm deutsche Sagen II., 104. Hormayr a.a.O. S. 20: »Noch zur Zeit der Reformation stellten die lateinischen Schüler zu S. Mang den Hahnenschlag oder Hahnenkampf dar, der einst dem schwachen Ludwig den Vorzug über seine Brüder gegönnt.«


Der Kaiser Karol saß mit seinem Ehgemahl

Zu Kempten auf der Burg vergnügt im Speisesaal.


Sie sahn in guter Ruh mit wonnerfülltem Herzen

Der Prinzen frohes Spiel und jugendliches Scherzen.


Da trat des Spielens satt der älteste, Pipin

Mit diesem Worte schnell zu Hildegardis hin:


Sag' Mutter: »kommt einmal der Vater in den Himmel:

Nicht wahr, als König sitz ich dann auf seinem Schimmel?«
[29]

Da sprang der Bruder Karl sogleich herfür und sprach:

»Auch ich will König sein, ich geh nicht hintennach!«


Zuletzt kam Ludewig, der jüngste von den Knaben:

»Nicht wahr, lieb Mütterchen, die Krone werd' ich haben?«


Da sprach Frau Hildegard: »Ei Kinder, hört mich an:

Ein jedes geht hinaus und holt sich einen Hahn;


Die kämpfen dann für euch und wessen Hahn der Meister:

Des Frankenreiches Herr und deutscher König heißt er!«


Die Knaben hatten bald die Hähne bei der Hand,

Im Augenblicke war der heiße Kampf entbrannt.


Vergebens wehrten sich Pipins und Karols Krieger,

Am Ende blieb der Hahn des kleinen Ludwig Sieger.


Und der als König so zu Kempten ging davon,

Bestieg als König auch des Frankenreiches Thron.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 29-30.
Lizenz:
Kategorien: