412. Else Rehlinger.

[436] P.v.Stetten Briefe eines Frauenzimmers aus dem 15. Jahrh., nach alten Urschriften. Augsburg 1777. – Vgl. v. Raiser Auszüge aus Beiträgen zur Beschr. der Denkwürdigkeiten des Oberdonaukr. 1829 S. 44. über das Verhältniß dieser Sage zu Geschichte und Roman.


Else von Egen oder Argon, des Rehlingers Wittwe, ward um ihrer Schönheit willen von manchem Freier bedrängt. Endlich bot sie dem Ritter Marquard von Schellenberg ihre Hand. Als nun der Brautzug nach Seifriedsberg, dem Schlosse Marquards, daherzog, lauerte Kunz von Villenbach, ein verschmähter Liebhaber, mit zweihundert Reisigen im Walde[436] bei Usterbach, des Willens, dem Schellenberger die Braut mit Gewalt zu rauben. Der Brautzug mit vielen Wägen, nur von etlichen vierzig Reitern geleitet, hatte sich zu Gessertshausen, wo gerastet und in der Kirche gebetet wurde, verspätet, und war bei anbrechender Nacht weiter aufgebrochen. Das Brautpaar befand sich von Fackeln umgeben in der Mitte des Zuges. So gelangten sie in den Wald von Usterbach, an die Stelle, wo der Villenbacher im Hinterhalt lauerte. Da fliegt ein Pfeil aus dem Dickicht und in demselben Augenblicke sinkt der Schellenberger neben der Braut todt vom Pferde. Darauf stürzte der Villenbacher hervor, bemächtigte sich der schönen Wittwe, und brachte sie gebunden nach seiner Burg.

Diesen Mord und Straßenraub rächte Elsens Bruder, Peter von Argon, welcher damals Bürgermeister in Augsburg war. Er vermochte den Rath zu dem Beschlusse, die Burg, von welcher so viel Unheil ausging, zu brechen. Die Reichsstadt bot demnach ihre Söldlinge zum Zuge und zur Belagerung von Villenbach auf; an ihre Spitze trat ein von Else gleichfalls Verschmähter, Hans von Königseck, der sich indeß großmüthig auf seine Burg zurückgezogen hatte. Dieser lagerte sich vor Villenbach und forderte den Kunz auf, die Geraubte herauszugeben und wegen des Todtschlags und Straßenraubs Schadenersatz zu leisten. Der Antrag wurde zurückgewiesen, darauf die Burg bestürmt. Kunz wehrte sich tapfer, erst beim dritten Sturme gelang es den Belagerern, die Burg zu erobern.

Während der Belagerung war Else, da sie Kunzens Anträge standhaft zurückwies, in ein Burgverließ gebracht worden; man hatte ihr noch acht Tage Bedenkzeit gestattet. In dem Augenblicke der Erstürmung schleppte sie Kunz sammt seinen Schätzen durch einen geheimen Gang aus der Burg und führte sie geknebelt von dannen.

Als Hans von Königseck die Burg leer fand, vertheilte er seine Reisige in Rotten zu zehen Pferden und ließ den Flüchtling nach jeder Richtung verfolgen. Es währte aber nicht lange, da erreichte Hans selbst in dem Walde gen Boxberg die Fährte des Flüchtigen und stieß ihn in dem Augenblicke nieder, als dieser zum Morde der schönen Else sein Schwert gezogen hatte.

Darnach wurde die Burg Villenbach in Brand gesteckt und zerstört, Else aber zu ihren Verwandten und ihrem Kinde aus erster Ehe nach Augsburg gebracht. Dort reichte sie ihrem Befreier die Hand.[437]

Noch erhält sich die Volkssage von der Belagerung und Zerstörung der Burg Villenbach in der Umgegend und noch sind die Leute nach Schätzen lüstern, welche Kunz bei seiner schnellen Flucht nicht mit fortschaffen konnte.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 436-438.
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