70. Wie die Kirche zu Ebersberg ihren Anfang genommen.

[72] Ebersberg in Oberb.Oefele scriptor. II., 4. F.X.Paulhuber Gesch. von Ebersberg, S. 234.


Es war, wie die alten Geschichtsbücher melden, um das Jahr 879, als Graf Siegfried von Ebersberg ruhig auf seinem Schlosse zu Sempt im Kreise seiner Familie lebte und unter andern sein Vergnügen am Waidwerke in den umliegenden Wäldern fand. Dazumal war die Gegend von Ebersberg noch gar wild und schauerlich. Gewaltige Eichen und Buchen, von Schlingpflanzen durchflochten, reihten sich zu einem undurchdringlichen Urwald aneinander. Nur auf einzelnen schmalen Stegen und Wegen konnten die Jäger in dieser Wildniß vordringen, in welcher große schwarze Eber ihren Aufenthalt hatten.

Eines Tages pflegte der Graf von Ebersberg des gewohnten Waidwerkes, als man urplötzlich eines gewaltigen Ebers ansichtig ward, der durch seine Größe und Stärke in Erstaunen setzte. Auch sein Lager oder Bett wurde bald ausgekundschaftet; es war auf einer Anhöhe in einer Sandsteinhöhle unter einer uralten Linde gewählt. Alle Mühe und Anstrengung des Grafen und seiner Leute, das schreckbare Thier zu fangen oder zu erlegen, waren vergebens. Einmal war man ihm nahe auf der Spur, so daß es den Augen der Jäger und Rüden ansichtig war, als es urplötzlich zum Entsetzen Aller verschwand, also daß man erkannte, es sei kein natürlicher Eber, sondern der leibhaftige Teufel aus der Hölle gewesen. Solches wollte sich aber auch noch später bestätigen, indem an jener Linde vor dem Höhlenlager des Thieres das umwohnende Volk zusammenströmte und heidnischen Aberglauben und Götzendienst trieb. Das vernahm ein heiliger Mann, Konrad von Heuwa, welcher am Bodensee wohnte. Da sendete er Boten an den Grafen Siegfried von Ebersberg und ließ ihm sagen: »Haue die Linde um und zerstöre die Höhle von Grund aus; an ihrer Stelle erbaue dem wahren Gott ein Kirchlein, denn es ziemt sich, daß er angebetet und dem Götzendienste ein Ende gemacht werde.« Die nämliche Botschaft ist von einem andern Einsiedler, Namens Gebhard von Straßburg an den Grafen gekommen, worauf dieser nicht länger gesäumt und nicht nur ein schon früher erbautes, aber verfallenes Valentinskirchlein erneuet, sondern auch eine Kapelle zu Ehren der Mutter Gottes Maria gegründet hat.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 72-73.
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