85. Schneiderburg.

[84] Von A.v. Platen. – Schneiderburg oder Krempenstein auf österr. Boden, doch ganz nahe Passau am rechten Donauufer. Auch von J.N.Vogl besungen.


Ein Schneider flink mit der Ziege sein

Behauste den Krempenstein,

Sah oft von der felsigen Schwelle

Hinab zu der Donauwelle,

In reißenden Strudel hinein.


So saß er oft und so sang er dabei:

Wie leb' ich sorgenfrei!

Meine Ziege die nährt und letzt mich,

Manch' Liedchen klingt und ergötzt mich,

Fährt unten ein Schiffer vorbei!


Doch ach, die Ziege, sie starb und ihr

Rief er nach: Wehe mir!

So wirst du mich nicht mehr laben,

So muß ich dich hier begraben;

Im Bette der Donau hier?


Doch als er sie schleudern will hinein,

Verwickelt, o Todespein!

Ihr Horn sich ihm in die Kleider;

Nun liegen Zieg' und Schneider

Tief unter dem Krempenstein.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 84.
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