92. Sagen von Chameregg.

[92] Chameregg unweit Chamerau im Bayerwalde. – A. Müller u. B. Grueber a.a.O. S. 297.


Wenn man über den Grund innerhalb des Wallgrabens hinschreitet, dröhnt es dumpf unter den Füßen, als ob man über ein Gewölbe schritte. Daher die Sage von dem verschütteten Burgkeller, in welchem auf steinernen Gantern uralter Rheinwein liege, ohne Reife und Dauben, von seinem eigenen Weinsteine gefaßt. Auch Schätze läßt das Landvolk hier vergraben sein und gibt an, zur Herbstzeit, an stillen Tagen, wo kein Lüftchen sich spüren lasse, drehe oft das auf dem Boden liegende Laub von freien Stücken sich im Wirbel herum, und es funkle dann vor den Augen der Zuschauer wie Gold. Eine Frau, die eines Tages im Burggraben Streu sammelte, hatte den Muth, mit dem Rechen in das tanzende Laub zu schlagen, und es sprangen drei Goldstücke hinweg, die jene aufraffte, während der übrige Haufen sich schnell wieder in dürre Blätter verwandelte.

Wie eine andere Sage erzählt, waren Chameregg, die Burg auf dem benachbarten Lamberge, Chamerau, Buchberg und Püdenstorf einst gefürchtete Raubnester. Fünf Brüder hausten in diesen Schlössern und fügten, vom Sattel und Stegreife lebend, den vorübergehenden Handelsleuten viel Unheil zu. Wenn sie Beute oder Feindesgefahr witterten, verständigten sie sich von ihren Wartthürmen herab gegenseitig durch Sprachrohre. Endlich erhoben sich, des ewigen Unfriedens müde, die wehrhaften Männer der Grafschaft und trieben die Unholde von dannen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 92.
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