505. Das Todtenmahl zu Scheyern.

[42] Von? – Als Scheyern, Wittelsbachs Wiege, dem Sturme der Säkularisation erlag, gieng auch der altehrwürdige Brauch zu Grabe. S. Vaterländ. Magazin. München 1841, S. 119.


Zu Scheyern hallt im Klostergang

Das Cönaglöckchen wieder,

Und ruft zum Mahl mit hellem Klang

Die gottgeweihten Brüder.


Schnell thun sich auf im weiten Kreis

Des Klosters stille Zellen,

Die Brüder all', bald laut, bald leis',

Zum Mittagsmahl sich stellen.


Da tritt ins Refektorium

Mit Pektoral und Kette

Der Abt – die Brüder harren stumm, –

Er winket zum Gebete.


Tief tönt das Benedicite

Und betend steh'n die Brüder,

Das Herz erfüllt ein seltsam Weh',

Bang senkt der Blick sich nieder.


Und als zu Ende das Gebet,

Setzt Jeder sich zum Mahle,

Der Lector liest, der Wärter geht,

Bringt Speisen nach dem Saale.


Doch sonderbar! – noch unbesetzt

Am Tisch ist eine Stelle;

Wer ist der Säum'ge, der zuletzt

Erst kömmt wohl aus der Zelle?


Und warum ist für ihn allein

Gedeckt mit schwarzen Linnen?

Und gar noch rother Kerzen Schein,

Ein Kreuzbild mitten innen?!


Still öffnet jetzt die Pforte sich

Und blaß, wie aus dem Grabe,

Naht scheu, gebückt und kümmerlich

Ein Greis an seinem Stabe.


Ein Bettler ist's. – Der Abt berief

Ihn Bruno's statt zur Stelle,

Denn Bruder Bruno ruhet tief

In dunkler Grabeszelle.


Und so geschah es dreißigmal

Nach jedes Bruders Scheiden:

Es half der Dankesthränen Zahl

Die ew'ge Ruh bereiten.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 42-43.
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