620. Der Teufelstisch auf Waldstein.

[165] Von LudwigZapf.


Es jagt in schneller Reise

Das wilde Heer vorbei,

Die Fichten schauern leise:

O wär' es Hahnenschrei!

Von ferne aus dem Grunde

Hallt dumpf die zwölfte Stunde –

Still schaut der Vollmond durch den Wald.


Auch dort am Burggemäuer

Ein dumpfer Lärm erschallt –

Da ist es nicht geheuer,

Da regt sich's mannigfalt!

»Jetzt knechtet uns kein Meister,

Jetzt ist es Zeit, ihr Geister,

Still schaut der Vollmond durch den Wald!«


Und luftige Gestalten

Erstehen überall,

Aus allen Mauerspalten,

Im Hofe und vom Wall;

Es schließt sich bald die Runde,

Jetzt ist die rechte Stunde –

Still schaut der Vollmond durch den Wald.


Am Felsentisch, dem harten,

Sind sie geschaart im Nu;

Hervor nun mit den Karten!

Gespielt wird ohne Ruh.

Es klingt in grellen Weisen,

Die Karten sind – von Eisen!

Still schaut der Vollmond durch den Wald.
[165]

Hei, das ist ein Vergnügen!

Das geht um Haufen Gold!

Sie zieh'n in vollen Zügen,

Der gelbe Plunder rollt!

Sie karten, karten, karten,

Der Tisch wird voller Scharten –

Still schaut der Vollmond durch den Wald.


Doch fängt es an zu dämmern,

Husch, husch! – verstummt der Schall!

Der Fäuste lust'ges Hämmern,

Der frohe Wiederhall.

Die Löcher in der Runde

Im Tisch nur geben Kunde –

Still schaut das Frühroth durch den Wald.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 165-166.
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