725. Konrads von Würzburg Tod.

[253] Von AugustSchnezler. – S. v. d. Hagen Minnesinger IV. 724. H. Schreiber Taschenbuch für Gesch. und Alterthum in Südteutschland. 1846. S. 415. Koberstein Grundriß §. 95, A. 3.


In die stille Klosterzelle

Blinkt der Abendsonne Licht

Auf die schlichte Lagerstelle,

Auf ein todtenbleich Gesicht;

Zu dem Bruder Dom'nikaner,

Der schon Jahre lang hier wohnt,

Trat der strenge letzte Mahner,

Welcher keines Alters schont.


Um den Sterbenden kniet leise

Seiner Ordensbrüder Zahl,

Aber aus dem braunen Kreise

Glänzt auch mancher Ritterstrahl;

Freiburgs edler Herren viele,

Wackre Bürger noch dabei,

Meister in dem Saitenspiele,

Schließen auch sich an die Reih'.


Alle kamen sie zu lauschen

Konrads letztem Athemzug,

Konrads, der so hoch einst rauschen

Ließ des Liedes Adlerflug;

Würzburgs ruhmbekränztem Sohne

Bringen sie den Scheidegruß,

Der ihn zu des Höchsten Throne

Liebend noch begleiten muß.


Doch der Lebensmüde richtet

Noch einmal das Haupt empor,

Seine Blicke, neugelichtet,

Brechen durch des Todes Flor,

Und er winket, aufzuschließen

Seiner Zelle Fensterlein,

Daß ihn voller noch umfließen

Mag der Sonne letzter Schein.


Draus im Blau, im wolkenlosen,

Sieht man hehr vom Dome blühn

Seiner Pyramide Rosen

In der Purpurstrahlen Glühn;

Und die eh'rnen Zungen regen

Sich nun auch zu dem Choral,

Der den frommen Abendsegen

Betet über Berg und Thal.


Dürstend hangen Konrads Augen

Am verklärten Münsterbild,

Klänge scheint sein Ohr zu saugen

Aus der Engel Luftgefild;

Seine letzten Kräfte sammeln

Nochmal sich zum neuen Schwung,

Leisen Munds, doch ohne Stammeln,

Spricht er mit Begeisterung:
[253]

»Brüder, Freunde aus der Runde!

Seid voll Dankes mir gegrüßt,

Daß ihr mir die bittre Stunde

Noch durch euren Trost versüßt!

Euerer Gebete Schwingen

Lassen aus dem Erdenband

Leichter meinen Geist sich ringen

Nach dem ew'gen Vaterland.


Von hienieden scheid' ich gerne:

Diese kampfestrübe Zeit

Hüllt des Sängers schönste Sterne

Tiefer stets in Dunkelheit;

Alle Zügel läßt erschlaffen

Sie der blinden Leidenschaft,

Nur in Schmach noch übt die Waffen

Fürstenstand und Ritterschaft.


Keines Ruhmes Ziele locken

Die verirrte Jugend mehr,

Zucht und Sitte flieht erschrocken

Vor der Lüste wildem Heer;

Rohe Lieder nur noch schallen,

Wüster Spaß und Becherklang,

Wo sonst in den Ritterhallen

Tönte keuscher Minnesang.


Wo nur noch die Faust sich Recht schafft,

Da erlahmt des Harfners Hand;

Wo nur Tyrannei und Knechtschaft

Er noch sieht im Vaterland,

Wo er nirgends mehr noch Pflege

Hoffen darf für seine Kunst,

Sucht er auf dem Himmelswege

Rettung aus der Erde Dunst.


Darum hatt' ich hier in's Kloster

Mich geflüchtet aus der Welt,

In den Port, wo sturmdurchtoster

Seelenhimmel sich erhellt;

All mein irdisch Minnen streifte

Ab ich vor dem Friedensthor,

Denn in meinem Busen reifte

Heiß mein höchstes Lied empor.


Und ich schuf die goldne Schmiede,

Drin mein Herz mit vollster Gluth

Zu Maria's Ruhmesliede

Hat verschmolzen all sein Gut:

Was nur Köstliches mein Seelen-

Schacht umschloß an Erz und Stein,

Gold und Silber und Juwelen

Schmiedet' ich ins Lied hinein.


Nehmt die Pergamentesrollen

Dort hervor aus jenem Schrank;

So nur, Brüder, Freunde! zollen

Kann ich euch noch meinen Dank

Für die Liebe, die dem greisen

Mönche stets bewahrt ihr habt:

Wenn an dieses Liedes Weisen

Ihr nach meinem Tod euch labt.


Was so kühn ich jetzt gesprochen,

Nehmt es hin als Schwanenlied!

Mein Geräth ist morsch gebrochen,

Selbst zusammen bricht der Schmied.

Von den andern Sängern neide

Ich nur einen einz'gen, dich,

Walther von der Vogelweide!

Du warst glücklicher als ich.


Denn dein Grab ist Würzburgs Erde,

Meiner theuern Vaterstadt,

Und auf seinem Futterherde

Ißt sich manches Vöglein satt.

Sei's, auch in der Fremde Grunde

Schläft der Sänger sanft und kühl,

Lebt er fort im Freundesmunde

Und in seines Volks Gefühl.


Aber Euch, ihr jüngern Meister

In dem edlen Sangesspiel!

Mögen reine, gute Geister

Leiten zu dem hehrsten Ziel!

Strebt zum Lenz des höhern Lebens

Aus dem Wintersturm der Zeit;

Baut auf Gott! – und nicht vergebens

Ringt Ihr nach Unsterblichkeit!« –


[254] Konrads Worte still verklingen

Mit der Glocken letztem Zug,

Mit des letzten Strahles Schwingen

Nimmt sein Geist den Himmelsflug.

Auf den Schatz der goldnen Schmiede

Drücken alle heiß den Mund:

»Friede seiner Asche, Friede!«

Tönt aus jedem Herzensgrund.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 253-255.
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