738. Die Trauben.

[262] Von F. J. Freiholz.


Zu Würzburg in der alten Stadt der Franken,

Die stolz sich hebt an blauen Maines Rand,

Dort wo des Steinweins süßer Saft gedeihet,

Da herrschte einst ein Bischof fromm und gut.

Dem Stamm der Mespelbrunn war er entsprossen,

Dem alten, biedern, tapferen Geschlecht.

Doch Ein Blatt flocht er in den Kranz der Ahnen,

Das nimmer welken wird in Sturm und Zeit;

Und bleibt die Eine Blume grün erhalten

So bleibt der ganze Ehrenkranz stets neu.[262]

Ein ew'ges Denkmal hat er sich gesetzet

Das ruht im Herzen seines Volkes tief,

Und stünde gleich der stolze Bau zertrümmert

So dächte man des frommen Julius doch.


Ein reicher Edler hatte ihn gebeten,

Er möchte Pathe sein bei seinem Kind,

Julius willfahrte freudig dieser Bitte,

Denn jeden Dienst der Liebe that er gern.

Und als er ging, gab er dem stolzen Grafen

Ein Kästchen, schön geformt aus Ebenholz:

»Das, sprach er, meinem Pathen zum Geschenke,« –

Und kaum war auf dem Gang sein Schritt verhallet,

Als auch der Graf das Kästchen schnell erbrach,

Doch schneller warf er wieder zu den Deckel,

Denn was er hoffte fand er nicht darin.

»Das mir! du stolzer Bischof! du sollst büßen

Mir einem Ebenbürt'gen diesen Hohn!«

Und einem Diener gab er schnelle Weisung:

»Da bringe das dem Bischof Würzburg's hin.«


Der Bischof saß gerad beim frohen Mahle

Um ihn herum das fürstliche Gefolg

Gelehrte Herrn, und Herrn vom fränk'schen Adel,

Da trat des Grafen Diener schnell herein:

»Mein Herr schickt euch das Weihgeschenk zurücke

Er hätte selbst genug von dieser Frucht!«

So lautete des Knappen höhn'sche Sendung.

Mit hoher Ruhe nahm es Julius hin.

Und gab dem Diener diese Antwort wieder:

»Bereuen wird dein Herr noch diese That,

Doch meinem Volke wird sie Segen bringen.«

Darauf erbrach er schnell das kleine Kästchen,

Das angefüllt mit süßen Trauben war,

Doch Julius legt die schöne Frucht bei Seite

Und zieht den Kern des Kästchens schnell hervor:

»Dank! stolzer Graf, im Namen aller Armen,

Denn jetzt erfüll' ich meinen Lieblingsplan,

Die Schenkungsurkunde die ich gegeben

Verwend' ich jetzt zu edlerm, besserm Zweck,

Und aus dem schönsten Schloß im Frankenlande

Verwandle ich das schönste Hospital!«[263]

Und Alles das, was Julius hier versprochen

Verwirklichte sich bald zu schöner That,

Verkaufen ließ er seiner Güter schönstes,

Und baute auf das Julius-Hospital.

Das ist das Denkmal, das er sich gesetzet,

Das seinen Namen bis zur Nachwelt führt,

Das Würzburgs Ruhm Jahrhunderte gewesen,

Und nur mit Würzburg selber untergeht.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 262-264.
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