818. Der Eberkopf.

[344] Die vor. Schrift S. 70.


Das Thor der berühmten Sickingenschen Ebernburg bei Kreuznach, die auch die Herberge der Gerechtigkeit genannt wird, war von Alters her mit einem Eberkopfe geziert, an den sich folgende Sage knüpft.

Die Burg, früher nur die an der Alsenz genannt, gehörte zu dem Gebiete der Raugrafen von Altenbaumberg und wurde von einem derselben bewohnt, der als ein tapferer aber wilder und zornmüthiger Geselle bekannt war. Dieser kam einst auf die unfern gelegene Burg Montfort und sah daselbst des Ritters schöne Tochter. Alsbald beschloß er, sie heim zu führen, erhielt aber, ganz gegen sein Vermuthen, abschlägigen Bescheid. Die Jungfrau hatte sich nämlich bereits seinem Nachbar, einem Rheingrafen auf dem Stein bei Kreuznach zu eigen gelobt. Des Raugrafen Zorn war groß. Er warf glühenden Haß auf den Rheingrafen und sann auf Rache. Eines Tags jagte er in dem Forste unweit des Rheingrafensteins. Ein grimmiger Eber stieß ihm auf. Im Kampfe mit demselben zerbrach ihm die Waffe, er gerieth in die äußerste Todesgefahr. In diesem Augenblicke blitzte vor seinem Auge eine blanke Klinge, und der Kopf des Ebers rollte, vom Rumpfe getrennt, vor seine Füße. Sein Feind, der Rheingraf, war's, der den kräftigen Hieb zur rechten Stunde geführt. Da war des Raugrafen Zorn gebrochen, er reichte dem Gegner die Hand, ward sein Freund und selbst der Brautführer an dessen Ehrentage. Ueber dem Thore seiner Burg aber ließ er zum immerwährenden Gedächtniß einen Eberkopf ausmeiseln und nannte sie fortan die Ebernburg.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 344.
Lizenz:
Kategorien: