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[245] Nacht war's; es hallte von dem Schellenklingen

Des Maultierzugs die Schlucht der Alpujarren;

Die kahlen Felsenhäupter sahn wir starren,

Die um die Stirn den Gletscherturban schlingen.


Der Führer ritt voran durch wildgezackte

Steinklippen, und auf sturmzernagtem Pfade

Zum Klange seiner maurischen Ballade

Bewegte langsam sich der Zug im Takte.


Da stieg am Himmelsrand die ew'ge Leuchte,

Die Vega lag vor uns im Morgenstrahle

Und dampfte aufwärts, eine Opferschale

Voll Weihrauch und voll klarer Himmelsfeuchte.


Im Frühglanz strahlten der Nevada Gipfel,

Wie goldne Kuppeldächer von Moscheen;

Andächtig neigten in des Ostes Wehen,

Gleich Betenden, die Palmen ihre Wipfel.


Vor uns von ihrem Teppich grüner Saaten,

Aus Myrtendickicht und Orangenbäumen,

Hob sich, ein Bild von Edens Wonneträumen,

Die Wunderstadt, die Schwester der Granaten.


Wir aber sanken auf die Stirn und riefen:

Sei Allah, daß wir dich erschaun, gepriesen!

O Houri aus Muhammeds Paradiesen!

O Perle in dem Kronschmuck der Kalifen!

Quelle:
Adolf Friedrich von Schack: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Stuttgart 31897, S. 245.
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