1.

[177] Eine Frau in Lüthorst hielt sich mit einem Dragoner, der bei ihr im Quartiere lag, und pflegte ihn aufs beste. Da sie immer so viel Geld hatte, so fragte der Dragoner sie einst, woher sie das viele Geld bekomme? Sie sagte ihm darauf, wenn er sie in der Walpurgisnacht begleiten wolle, so solle er auch so viel haben, daß es in seinem Leben nicht zu Ende ginge. Er willigte ein. In der Walpurgisnacht weckte sie ihn um elf Uhr und führte ihm dann ein recht mageres Kalb vor, worauf er sich setzen muste. So wie er sich aufgesetzt hatte, schlug sie das Bein um einen Besen und ritt so im Galopp voran, das Kalb immer hinterdrein. Nach kurzer Zeit kamen sie auf einem Kreuzwege an, wo eine große Versammlung von lauter Weibern war. Die einen kamen auf Ziegenböcken angeritten, andere auf Gänseküchlein, andere auf Hühnern, wieder andere auf Flachsbrechen (ribbebrâken) u.s.w. Als es zwölf schlug, war alles vorbei. Die beiden kehrten auf dieselbe Weise zurück, wie sie gekommen waren. Der Dragoner hatte sich aber auf dem Kalbe so zu Schanden geritten, daß er acht Tage lang nicht auf dem Pferde sitzen konnte. Er wollte nun mit der Sache nichts weiter zu thun haben und bekam daher auch kein Geld.[177]

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 177-178.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.