4.

[180] In einem Dorfe hatte ein Bauer mit seiner Frau lange glücklich gelebt. Mit einem Male starb rasch hinter einander sein ganzes Vieh; kaufte er auch neues wieder und fütterte er dasselbe auch noch so gut, es half ihm nichts, es starb dennoch bald. So wurde er nach und nach arm und hatte zuletzt nur noch sehr wenig. Da kam eines Tages ein armer Mann zu ihm und sprach ihn um ein Almosen an. »Ich habe selbst nicht viel mehr«, sagte der Mann, »ich weiß nicht, wie es zugegangen ist.« Und nun erzählte er dem Bettler alles und nahm ihn in Rath. »Ihr müßt mir erlauben«, erwiederte darauf der Bettler, »daß ich mich dreimal hinter einander Nachts in eueren Pferdestall lege, dann will ich euch helfen.« Man erlaubte das gern. In der Nacht kamen außerordentlich viele Katzen zwischen die Pferde und quälten dieselben auf die schändlichste Weise. Er sah das zwei Nächte ruhig an und ließ sie gewähren. In der dritten Nacht aber nahm er einen Knittel und schlug mit aller Kraft dazwischen; auch gelang es ihm der einen Katze mit einem Beile,[180] welches er gefaßt hatte, eine Pfote abzuhauen. Die Katze schrie jämmerlich, und alsbald waren alle verschwunden. Er hob die Pfote auf und es fand sich, daß es eine Menschenhand war. Am anderen Morgen erzählte der Mann dem Bauern alles, was in der Nacht vorgefallen war, und zeigte die Hand vor, welche ganz schwarz war. Er fügte dann den Rath hinzu, er solle jetzt das ganze Haus zuschließen und alle Löcher sorgfältig verstopfen. Es werde dann seine alte Nachbarin vor das Haus kommen, laut schreien und ihn bitten, das Haus auszuschließen, sie wolle dies oder das borgen; er solle das aber nicht thun. Er wolle die Hand in einen Kessel thun und sie darin kochen; wenn aber die Thür geöffnet würde, so würde das alte Weib ihre Hand schnell aus dem Kessel nehmen, und dann hülfe alles nichts. Wie der Bettler gesagt hatte, so geschah es auch. Die alte Frau kam vor die Thür und schrie jämmerlich, der Mann machte aber nicht auf. Der Bettler kochte unterdessen die Hand fortwährend und sagte dann zu ihm, nun möge er einmal in das Haus seines Nachbars gehn und sehen, was die Frau mache, – denn sie war, als ihr alles Schreien nichts half, endlich fortgegangen. Er that das auch und fand die Frau im Bette liegend und im Sterben. Der Bettler aber kochte immer zu, und wie er kochte, starb die Frau nach und nach. Nach ihrem Tode wurde der Leichnam auf den Rath der anderen Bauern auf einem Scheiterhaufen verbrannt.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 180-181.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.