Erster Aufzug


[173] Zwei Zeltwände, die hinten im rechten Winkel zusammenstossen. Die Wände sind lose hängendes faltiges Tuch. Im rechten Winkel kann das Tuch auseinandergeschlagen werden. Möglichst prächtiges Tuch.

Rechts Knoblauch mit langen roten Bartkotelettes in einem Triumphstuhl – rauchend und Zeitung lesend. Er ist sehr elegant nach der neuesten Mode gekleidet. Links hängt an einem Kleiderständer sein Zylinder, Ueberzieher, Regenschirm und Perspektiv.

Knussel und von Meiersprung bringen einen gefesselten Lord herein. Knoblauch springt erfreut auf und verbeugt sich sehr höflich.
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KNOBLAUCH. Serr erfreut, Sie kennen zu lernen. Bitte Pardon for mein ausländisches Akzent. Ich bin ein deutscher Graff und serr vorrnehm, spräkke wie ein Weltmann mit internationales Akzent. Jedder ächte Deutschmann muss speak Weltsprak – weil old Germany Weltreich. Disse Art, sick zu drücken aus, itzo serr moddern und vorrnehm. Knussel, nimm doch dem Herrn Lord die Fesseln ab, dass er kann rauk min Ziehgarr. Bietet ihm eine Zigarre und ein brennendes Streichholz an. Mon Nom is Knoblock. Vive la vie!


Der Lord steckt sich die Zigarre an und wird durch von Meiersprung mit der Flinte von hinten erschossen.


LORD ärgerlich. Die Ziehgarr fällt. Fällt selbst und stirbt.

KNOBLAUCH. Gesicht und Extremmitäten janz unkenntlich maken und die Kleidderchens vergrabben.


Der Lord wird von den beiden Räubern hinausgetragen.


KNUSSEL kommt gleich zurück. Das Geld haben wir ihm schon abgenommen; hier ist es. Gibt dem Knoblauch eine Brieftasche.

KNOBLAUCH. Disse Monneten werden morjen Abbend unter Euch Viere verteilt – ick will nix davon prendre – ick will nurr habben eine neue Ziehgarr.

KNUSSEL. Serr vornehm!


Ab.


KNOBLAUCH sehr laut. Merribûr! Klatsch! Merribûr und Klatsch treten ein.

MERRIBÛR. Guten Morgen, Räuberhauptmann.

KLATSCH. Guten Morgen, Herr Graf.

KNOBLAUCH. Gutten Morjen, Kinders! Ick will vertellen Euck something entre nous! Hier find ick zwei Zettel von Knussel und Meiersprung – die wollen Euck totschlaggen mit Hammer und Grannitt. Gibt ihnen die Zettel. Gehet raus und schiesset die Verräter vorrherr dot. Abber vorrnehm – von hinten!


Merribûr und Klatsch mit wütenden Gebärden ab – Knoblauch ladet schnell eine Doppelflinte und horcht. Zwei Schüsse ertönen kurz hinter einander – er macht darauf eine Spalte im linken Wandtuch, steckt die Flinte durch und schiesst auch zwei Schüsse ab.
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KNOBLAUCH stellt die Flinte weg und zieht sich den Ueberzieher an. So – so – ita! Italiano! Italiano! Itzo sein die vier Räubber dot – mausedot. Und derr Lord wird, da err verstümmelt ist, för den Räubberhauptmann gehalten werden. Ick kann go. Mirr tutt nurr die Ziehgarr leid. Hängt sich das Perspektiv um. Nurr nich die Monnetten verjessen! Steckt die Brieftasche ein und setzt sich den Zylinder auf und geht hinten ab. Aber zwischen den Tüchern hält er noch einmal inne, dreht sich um und zieht den Zylinder mit dem Blick auf den Triumphstuhl. Räuberlebben, lebbe woll! Du warrst mirr nich vorrnehm genuck! Zylinder schwenkend mit zum Himmel gerichteten Augen. Thallatta! Thallatta! Sei mirr jeküsst uff Bauck!


Vorhang!


Quelle:
Paul Scheerbart: Gesammelte Arbeiten für das Theater. Band 1, München 1977, S. 173-175.
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