Der klügste Rath.

[85] Petron sah jüngst voll Lüsternheit

Gewandlos Sylvien im Bade;

Was sich ein Mädchen sonst zu zeigen scheut,

La da vor ihm wollüstig en Parade,

Fuß, Schultern, Busen, Wade

Sah er, und wer das sieht bekommt auch mehr zu sehn.

Und alles war zum malen schön.[85]

Nur aus Petronens räthselvollen Blicken

Sprach Kummer und Verlegenheit,

Er sah mit unentschloßnen Blicken,

Selbst bey dem sanfsten Händedrücken,

Bald rechts aufs Bein wie Schnee, bald links aufs weiße Knie.

Für jedes fühlt er Sympathie,

Und doch nicht Kraft zur Wahl – mit heimlichen Entzücken

Sah' Sylvia Petronens innern Streit:

»Was fehlt dir Kind? Wozu denn die Verlegenheit?

Willst du, sprach sie, daß ich entscheide?

So thu' das Sicherste, damit kein's Unrecht leide,

Und leg dich hurtig zwischen beyde.«
[86]

Quelle:
[Johann Georg Scheffner]: Gedichte im Geschmack des Grecourt, Frankfurt; Leipzig 1771, S. 85-87.
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