Hans Carvels Ring.

Da wohl kein Menschenkind die Lunge

Zu seiner Nebenchristen Ruhm

Je überhitzt, so springt man drum

Mit Engeln selbst nicht besser um,

Und spricht: es geh' von Satans Zunge

Kein wahres Wort, doch ich will zu der Wahrheit Ruhm

Durch folgende Geschichte zeigen,

Sie sey auch selbst den Teufeln eigen.
[92]

Der Himmel, der die Ehen schließt,

Gab Carveln einst Trotz seiner grauen Haare,

Und seiner höchst verlegnen Waare

Den Einfall ein, der oft beym Jüngling mislich ist,

Ein junges Weib, das seines Durstes sich zu schämen,

Gar nicht gesonnen war, zu nehmen.

Zwar hoft er ganz getrost sein Kätchen würde sich

Aus treuer Zärtlichkeit zum Fastentisch bequemen,

Doch statt des Wörtchens kümmerlich

Das vor der Stirn ihm stand, stand zu Hans Carvels Jammer

Ein andres Wort vor Kätchens Herzenskammer;

Und Carvel sann drum Tag und Nacht[93]

Auf Mittel um sein Haupt für Unglück zu behüten:

Allein stets zog er Rathhaus Nieten,

Und selbst ein kleiner Rausch, der Herzen freudig macht

Half Carveln nicht. Um Kätchens Fleisch zu quälen,

Und zur Erbauung ihrer Seelen

Ließ ers indessen nicht an guten Lehren fehlen,

Doch da er bloß die künftgen Gaben prieß,

Und gar kein zeitlich Pröbchen wieß;

So ward durch die Gardienenpredigt

Sie nicht erbaut, und er nicht seiner Angst entledigt.

Sein Leben war nunmehr Ein böser Traum,

Selbst wenn er Kätchen sah so glaubt er kaum –[94]

Und Thomas, der auch ehr nicht glaubte

Bis seines Meisters himmlische Geduld

Ihm eine Wundenprob erlaubte,

Das war sein Mann. Ganz ohne Kätchens Schuld,

Die nie ihn weckte, denn wozu wärs nütz gewesen,

Wer kann von Dornen Trauben lesen?

Schlief er nie fest – Als er nun einst so schlief,

Dünkts ihm, daß Asmodi ihn rief,

Und sprach: »nimm diesen Ring, so lange

Er dir am Finger sticht,

Sey, Carvel, dir nicht bange,

Daß man in deinen Garten bricht« –[95]

O Gott bezahl es dir! schrie hier der gute Alte;

So werd ich denn wenn ich den Ring behalte,

Doch wieder meines Lebens froh –

Und als er dies so eifrig dachte,

Daß er entzückt davon erwachte,

Da stach sein Finger – Rathet wo?
[96]

Quelle:
[Johann Georg Scheffner]: Gedichte im Geschmack des Grecourt, Frankfurt; Leipzig 1771, S. 90-97.
Lizenz:
Kategorien: