Zehntes Kapitel

Über die Geschlechtsorgane verschiedener Tiere

[173] Wisse, o Wesir – möge Gott dich segnen! –, die Geschlechtsorgane der männlichen Tiere stimmen nicht überein mit den von mir erwähnten verschiedenen Arten des menschlichen Penis.

Die Zeugungsglieder der Tiere teilt man ein nach den Arten, zu denen sie gehören, und dieser Arten sind vier.


1. Die Ruten der Huftiere, wie z.B. Pferd, Maultier, Esel, deren Penis von hervorragender Größe ist. Von den Namen, die man ihnen beigelegt hat, sind die folgenden bemerkenswert:

Der Koloß

Die Schlange

Der Keil

Die Keule

Der Unbezähmbare

Der Geschwollene

Der Großköpfige

Der mit dem Hut

Die spitze Stange

Der Hammer

Der Fechter


2. Die Ruten von Tieren, welche halbgespaltene Hufe haben, wie z.B. das Kamel:

Der Wohlbekannte

Der Lange[174]

Der Strick

Der Feste

Der Schwingende

Der Verborgene

Der Behaarte

Der Träge


3. Die Ruten von Tieren mit gespaltenen Hufen, wie z.B. Rind, Schaf usw.:

Der Ziemer

Die Rute

Die Peitsche

Der Kleinköpfige

Der Lange


Der Penis des Widders im besonderen heißt:

Der Sehnige


4. Die Zeugungsglieder von Tieren mit Klauen, wie z.B. Löwe, Fuchs, Hund u.a.m.:

Die Rute

Der Großeichelige

Der Immerlängerwerdende


Man glaubt, daß von allen Tieren auf dieser Gotteswelt der Löwe sich am besten auf die Begattung verstehe. Wenn er der Löwin begegnet, untersucht er sie erst, ehe er sich mit ihr einläßt. Er merkt sofort, wenn sie bereits von einem anderen Löwen besprungen worden ist. Wenn sie zu ihm kommt, beriecht er sie, und wenn sie sich mit einem anderen eingelassen hat, merkt er das sofort an dem Geruch, den dieser zurückgelassen hat. Er beschnuppert[175] ferner den Urin der Löwin, und wenn die Untersuchung nicht nach Wunsch ausfällt, gerät er in Wut und schlägt nach rechts und links mit dem Schweif um sich. Wehe dem Tiere, das in einem solchen Augenblick in seine Nähe kommt! Es wird ohne Gnade von ihm in Stücke gerissen. Er kehrt nun zur Löwin zurück, die vor Angst zittert, denn sie sieht, daß er alles weiß. Von neuem beriecht er sie, stößt ein Gebrüll aus, bei dem die Berge erzittern, fällt über sie her und zerfleischt mit seinen Tatzen ihren Rücken. Es kommt sogar vor, daß er sie tötet und dann ihren Leichnam mit seinem Urin besudelt.

Man behauptet, der Löwe sei das eifersüchtigste und klügste aller Tiere. Auch behauptet man, er sei großmütig und verschone den Menschen, der mit höflichen Worten an ihm vorbeigehe.

Ein Mann kann einen Löwen in die Flucht jagen, indem er ihm seine entblößten Geschlechtsteile zeigt. Ferner ergreift der Löwe die Flucht, sobald jemand den Namen Daniels – Heil sei ihm! – vor ihm ausspricht, denn dies hat der Prophet – Heil sei ihm! – ihm zur Pflicht gemacht. Sobald dieser Name ausgesprochen wird, entfernt sich der Löwe, ohne dem Menschen etwas zuleide zu tun. Man berichtet mehrere Fälle, wodurch diese Tatsache bewiesen wird.

Quelle:
Der duftende Garten des Scheik Nefzaui. Berlin/ Darmstadt/ Wien [1974], S. 173-176.
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