1. Nach Steimar

[258] Eingefaßt von dichten Hecken

Weiß ich einen grünen Saal,

Hochgewölbt mit Azurdecken,

Drinnen wohnt Frau Nachtigall.

Ihr zu Diensten stehn

Jungfraun wunderschön,

Zarte bunte Blumen ohne Zahl.


Wann der Lenz zu Lieb' und Freude

Jedes junge Herz entzückt,

Kommt Herr Mai im neuen Kleide,

Findet alles schön geschmückt.

Zierlich klopft er an,

Wie ein Freiersmann,

Jede Blüt' aus ihrer Knospe blickt.


Bunte Schmetterlinge kosen,

Vöglein treiben frohen Scherz,

Und die Brust der jungen Rosen

Oeffnet sich dem süßen Schmerz.[258]

Da beginnt solch Spiel,

Wer nicht minnen will,

Muß die Augen schließen und das Herz.


Komm' ich dann mit meiner Lauten,

Wo der Schatten sich vereint,

Denk' ich meiner holden Trauten;

Was mein Mund zu singen scheint,

Nachtigall und Mai,

Blumen allerlei,

Immer ist die Schönste nur gemeint.


Quelle:
Max Schenkendorf: Gedichte, Leipzig o.J, S. 258-259.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gedichte