Vierte Szene

[790] Zimmer beim Musikanten.

Miller, Frau Millerin, Luise treten auf.


MILLER hastig ins Zimmer. Ich habs ja zuvor gesagt!

LUISE sprengt ihn ängstlich an. Was, Vater, was?

MILLER rennt wie toll auf und nieder. Meinen Staatsrock her – hurtig – ich muß ihm zuvorkommen – und ein weißes Manschettenhemd! – Das hab ich mir gleich eingebildet!

LUISE. Um Gottes willen! Was?

MILLERIN. Was gibst denn? Was ists denn?

MILLER wirft seine Perücke ins Zimmer. Nur gleich zum Friseur das! – Was es gibt? Vor den Spiegel gesprungen. Und mein Bart ist auch wieder fingerslang – Was es gibt? – Was wirds geben, du Rabenaas? – Der Teufel ist los, und dich soll das Wetter schlagen.

FRAU. Da sehe man! Über mich muß gleich alles kommen.

MILLER. Über dich? Ja, blaues Donnermaul, und über wen anders? Heute früh mit deinem diabolischen Junker – Hab ichs nicht im Moment gesagt? – Der Wurm hat geplaudert.

FRAU. Ah was! Wie kannst du das wissen?

MILLER. Wie kann ich das wissen? – Da! – unter der Haustüre spukt ein Kerl des Ministers und fragt nach dem Geiger.

LUISE. Ich bin des Todes.

MILLER. Du aber auch mit deinen Vergißmeinnichtsaugen! Lacht voll Bosheit. Das hat seine Richtigkeit, wem der Teufel ein Ei in die Wirtschaft gelegt hat, dem wird eine hübsche Tochter geboren – Jetzt hab ichs blank!

FRAU. Woher weißt du denn, daß es der Luise gilt? – Du kannst dem Herzog rekommendiert worden sein. Er kann dich ins Orchester verlangen.

MILLER springt nach seinem Rohr. Daß dich der Schwefelregen von Sodom! – Orchester! – Ja, wo du Kupplerin den Diskant wirst heulen, und mein blauer Hinterer den Konterbaß vorstellen. Wirft sich in seinen Stuhl. Gott im Himmel!

LUISE setzt sich totenbleich nieder. Mutter! Vater! Warum wird mir auf einmal so bange?[790]

MILLER springt wieder vom Stuhl auf. Aber soll mir der Dintenkleckser einmal in den Schuß laufen! – Soll er mir laufen! – Es sei in dieser oder in jener Welt – Wenn ich ihm nicht Leib und Seele breiweich zusammendresche, alle zehen Gebote und alle sieben Bitten im Vaterunser und alle Bücher Mosis und der Propheten aufs Leder schreibe, daß man die blaue Flecken bei der Auferstehung der Toten noch sehen soll –

FRAU. Ja! fluch du und poltre du! Das wird jetzt den Teufel bannen. Hilf, heiliger Herregott! Wohinaus nun? Wie werden wir Rat schaffen? Was nun anfangen? Vater Miller, so rede doch! Sie läuft heulend durchs Zimmer.

MILLER. Auf der Stell zum Minister will ich. Ich zuerst will mein Maul auftun – Ich selbst will es angeben. Du hast es vor mir gewußt. Du hättest mir einen Wink geben können. Das Mädel hätt sich noch weisen lassen. Es wäre noch Zeit gewesen – aber nein! – Da hat sich was makeln lassen; da hat sich was fischen lassen! Da hast du noch Holz obendrein zugetragen! – Jetzt sorg auch für deinen Kuppelpelz. Friß aus, was du einbrocktest. Ich nehme meine Tochter in Arm, und marsch mit ihr über die Grenze.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 790-791.
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